Rotwein auf römischen Fundamenten (WEIN.PUR II/08)

Ein Artikel von Alexander Lupersböck | 01.05.2008 - 00:00
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© Faber

Irgendwie ist es bezeichnend: Das große Reich zerfiel, aus seinen Resten entstanden vitale und eigenständige Länder mit eigener Nationalität. Damit ist nicht das Römische oder sonstige Reich gemeint, sondern das Weinbaugebiet Donauland, das in der Weingesetznovelle von 1986 geschaffen und seither in die Bereiche Carnuntum, Traisental, Wagram und Donauland aufgesplittert wurde. Für den Rest der Welt ist das recht unbedeutend, aber die Trennung in diese eigenständigen und unterschiedlichen Gebiete ist im Sinne der regionalen Vielfalt wichtig und richtig.
Denn die Herausforderungen in den verschiedenen Ecken des ehemaligen Riesenreiches sind unterschiedlich, und alle Nachfolgegebiete haben sich seither prächtig entwickelt.

Tiefe Wurzeln

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© Wiederstein

Vor rund 2.000 Jahren wurde das Römerlager Carnuntum als Grenzbefestigung an der Donau gegründet. Später wurde Carnuntum die Hauptstadt der Provinz Oberpannonien, hatte zu seiner Blütezeit 50.000 Einwohner und war Haupthafen der Donauflotte.
Kaiser Marc Aurel, "der Philosoph auf dem Thron", Vorbild für viele spätere "gute" Herrscher, deren Hauptziel das Wohl ihrer Untertanen war (o Marc Aurel, steige herab in die Gegenwar t!), verbrachte kriegsbedingt viel Zeit hier, und hier schrieb er auch sein philosophisches Hauptwerk, die "Selbstbetrachtungen". Der Weinbau war schon von den Kelten betrieben worden.
Die Römer mit ihrem gut entwickelten Staatswesen und ihrer funktionierenden Bürokratie verfeinerten und systematisierten allerdings die Anbaumethoden und sorgten so für eine Hochblüte. Mit Völkerwanderung und Zusammenbruch des Imperiums Romanum geriet viel davon in Vergessenheit. Es ist gerade 100 Jahre her, dass archäologische Ausgrabungen begonnen haben. Das Heidentor ist heute das Wahrzeichen der Rubin Carnuntum Weine.

Rasante Entwicklung

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© Netzl

Bis in die 80er-Jahre war das Gebiet hauptsächlich Lieferant für Gastronomie und Weinhandel. Walter Glatzer: "Ich habe als junger Mann selber noch die Fässer mit 700 und 800 Litern aus dem Keller gerollt.
Das meiste davon ging nach Wien." Nach dem Glykolskandal 1985 und mit der Schaffung des eigenen Weinbaugebietes Carnuntum setzte aber eine unglaubliche Dynamik ein. Besonders auffallend daran ist der außergewöhnliche Zusammenhalt der Winzer untereinander. Es wird viel miteinander verkostet, diskutier t und dadurch auch entwickelt.
Franz Netzl nennt einen Grund: "Die Jungen haben zu Hause ihre Chancen erhalten. Sie mussten nicht erst lange warten, um in die Betriebe einzusteigen und ihre Ideen zu verwirklichen, sie konnten sich ausleben." Und Walter Glatzer: "Wir sind fast alle zwischen 30 und 50 Jahre alt. Viele von uns sind zusammen zur Schule gegangen, heute gehen unsere Kinder gemeinsam in den Kindergarten und zur Schule. Abgesehen vom Weinbau haben wir sozusagen alle die gleichen Herausforderungen.
Da ist es doch klar, dass man miteinander viel spricht, sich austauscht. Unsere Kollegen sind auch unsere Freunde. Daher gehen wir ehrlich miteinander um." Und noch ein Aspekt, den beide Winzer betonen: Mit 900 ha Rebfläche ist das Gebiet nicht so groß, dass es ein besonderes Überangebot geben würde. Der Konkurrenzdruck bei der Vermarktung ist also eher gering. 1985 begann auch die Neuausrichtung des Gebietes in Richtung Rotwein.
Bis dahin dominierten Weißweine mit fast 90 %, vor allem Grüner Veltliner, Müller-Thurgau und Weißburgunder. Heute ist das Verhältnis rot : weiß etwa ausgeglichen. Grüner Veltliner hält noch immer bei 36 %, Zweigelt bei 13 %, Blaufränkisch bei 8 % - eigentlich erstaunlich, dass es den Carnuntum-Winzern gelungen ist, sich als Rotweinspezialisten zu positionieren, aber da spielt wohl das geschlossene Auftreten eine große Rolle.
Zur Dynamik des Weinbaugebietes passt auch das Zusammenwachsen der Region um Wien und Pressburg (Bratislava). Nirgendwo sonst in Europa sind zwei Hauptstädte derart nah beieinander. Im Einzugsgebiet der "Twin Cities" leben gut drei Millionen Menschen, lauter potenzielle Käufer und Heurigenbesucher, denn wie unser Autor Walter Eckensperger anmerkte: "Ich bin gerne in Carnuntum, es ist nicht zu weit weg von Wien, es gibt tolle Ausflugsziele auch für Kinder und beim Heurigen kann ich einen Gespritzten und einen Spitzenwein trinken." Besser kann man die Vorzüge nicht auf den Punkt bringen.

Die Grundlagen

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© Glatzer

Carnuntum ist geprägt durch seine Lage am Südufer der Donauauen und die drei bestimmenden Hügelketten: Das Leithagebirge, das Arbesthaler Hügelland und die Hainburger Berge.
An den Hängen befinden sich naturgemäß die besten Lagen. Der Weinbau gruppiert sich um zwei Zentren: zum einen das Gebiet um Göttlesbrunn und Höflein, in welchem eher kräftige und füllige Weine entstehen, zum anderen das Gebiet um Prellenkirchen, welches mit mineralisch- feinstrukturierten Blaufränkisch eine kleine Renaissance erlebt.
Dieses oft generell als "Spitzer Berg" bezeichnete Gebiet war durch den eisernen Vorhang lange ins Abseits gedrängt. Die Karpatenausläufer der Spitzer Berge bestehen aus Kalk, teilweise auch Urgestein. Ansonsten sind die Böden eher schwer, steinig, lehmig, an den Rändern teils mächtige Lössanwehungen und Braunerde, auf den Hügelkuppen dafür Schotter- und Sandablagerungen der Donau. Böden und Mikroklima am Leithagebirge und Arbesthaler Hügelland favorisieren den Zweigelt.
Der Einfluss des pannonischen Klimas überwiegt, tagsüber kann es sehr warm werden. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge ist mit 550 mm eher gering, die konstant wehenden Winde halten Botrytis und Mehltau im Zaum. Das garantier t lange Reifezeiten der Trauben, dafür auch kaum Prädikatsweine. Der Einfluss des Neusiedlersees ist wohl - wenn überhaupt - nur in Randlagen zu spüren.

Zweigelt oder nicht Zweigelt?

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© Pitnauer

Mit der 1992 eingeführ ten Marke "Rubin Carnuntum" gelang es, das Gebiet für die Konsumenten klar zu positionieren.
Der Rubin Carnuntum ist ein gehaltvoller Zweigelt oder Blaufränkisch mit samtigen Tanninen und ausgeprägter Frucht. Damit war der Stil des Gebietes praktisch definiert, es steht für gut trinkbare Weine, auf die man nicht lange warten muss. Eine DAC-Diskussion erübrigt sich. Blaufränkisch hat im internationalen Maßstab sicher eine bessere Reputation, wie groß ist aber das Potenzial des Zweigelt, sich als Leitsorte untrennbar mit dem Namen Carnuntum durchzusetzen? Birgit Wiederstein sagt dazu: "Ich halte den Zweigelt für bodenständig und anständig, nett zu trinken. Für mich sind Blaufränkisch und Pinot Noir die spannenderen Weine", räumt aber gleichzeitig ein: "Die Platzierung muss über Zweigelt erfolgen, denn Pinot ist nicht als österreichische Sorte besetzt und das Blaufränkischland gibt es schon." Für Franz Netzl ist die Sache klar: "Wir sollten das nehmen, was hier eigenständig ist.
Der Sankt Laurent wäre zwar auch schön, ist aber so schwierig und unzuverlässig, dass er dafür uninteressant ist." Mit Walter Glatzer schätzt er den Merlot sehr, dieser kann aber nicht für das Gebiet stehen. Glatzer: "Es macht sich eine Art Dogmatismus breit: Wir brauchen keinen Merlot, Cabernet oder Chardonnay in Österreich. Ich warne davor, die Winzer, die das machen, zu verdammen. Wir müssen lernen und manchmal auch Sackgassen beschreiten. Ich selber habe jetzt den Cabernet ausgerissen, weil er unseren Betrieb nicht weiterbringt. Aber das muss jeder Winzer selber entscheiden und herumexperimentieren. Und in der Geschichte haben immer die den größten Fortschritt gemacht, die sich trauten, Konventionen zu brechen."
Wieder ist er mit Franz Netzl einig, dass man zwischen Inlands- und Auslandsmarkt unterscheiden muss: "Der Weltweinmarkt braucht keinen Merlot aus Österreich, aber bei uns gibt es einen Markt für internationale Sorten und wir brauchen sie als Cuvée-Partner." Glatzer gibt dem Sankt Laurent auch gute Chancen im Gebiet, aber natürlich steht für ihn der Zweigelt an erster Stelle. "Wenn die Reben älter werden, bekommen die Weine eine schöne pfeffrige Würzenote, fast wie Syrah. Beim Zweigelt haben wir noch lange nicht das Beste gesehen", ist er überzeugt. Und von den guten Blaufränkisch gibt es ohnehin zu wenig, um die Nachfrage zu befriedigen.
Auch beim Thema Barrique gibt es keinen Stillstand. Nachdem in den letzten Jahren öfter der Vorwurf an die Winzer laut wurde, zu großzügig mit neuem Holz umzugehen, macht sich eine Trendwende bemerkbar. Besonders vom Jahrgang 2005 auf 2006 wurden die Zweigelt deutlich feinfruchtiger und dezenter in den Röstaromen. Auch seit der Auskostung der Rubin Carnuntum 2006 im Juni 2007 haben die Weine das Holz wunderschön eingebunden und erfüllen nun die Vorgaben, trinkfreudige, durchaus kräftige Selektionsweine mit gewisser Komplexität zu sein, perfekt. Unsere Wertungen mit zwei bis drei Gläsern sind Bestätigung für diesen Stil.
Ganz ohne Barrique wird und soll es auch in Zukunft nicht gehen, schließlich sagte Franz Taferner damals allen Kritikern: "Man darf nicht vergessen, dass es einen Markt für solche Weine gibt und wir ihn gut bedienen können. Daher wird Rubin Carnuntum nie ein schlanker, superkomplexer Wein sein, das können andere Gebiete besser." Aber der eingeschlagene Weg scheint der absolut Richtige zu sein.

Göttlesbrunner Hotspot: Bittermann Vinarium

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© Bittermann Vinarium

"Exquisit und einfach" - das ist das Motto für Zwei-Hauben-Koch Adi Bittermann und seine Frau Bettina. In der auf Maria Theresia zurückgehenden Volksschule haben sie einen Treffpunkt für alle weininteressierten Gourmets eingerichtet. "Vinarium deswegen, weil sich hier alles um die regionalen Weine dreht", erklärt Adi Bittermann.
"Und die Räumlichkeiten geben uns alle gastronomischen Möglichkeiten: vom schnellen Imbiss bis zum siebengängigen Menü sowie Veranstaltungsräume." Im Obergeschoss befindet sich die Gebietsvinothek. Bodenständig-modern ist der Küchenstil, das Ziel ist "für jeden Gast und jede Brieftasche das ideale Angebot zu offerieren: von Würsteln am Vormittag bis zur Gänseleber am Abend." Günstiger und gemütlicher kann man eine Zwei-Hauben-Küche kaum genießen.
 
Bittermann Vinarium
2464 Göttlesbrunn Abt Bruno Heinrich Platz 1
Tel. 0043-2162/81155 www.bittermann-vinarium.at info@bittermann-vinarium.at