Wein aus dem Bienenstock

Ein Artikel von Rüdiger Martin | 25.04.2010 - 00:00
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© IStock Photo

weifellos, es bedarf nicht eifrigen Zuspruchs, um dieVorstellungskräfte über diese notabene honigfarbeneSubstanz zu mobilisieren. Mythen und Magie diesesalkoholischen Bienenprodukts stilisieren ihn zumwahren Lebenssaft aller Völker der Vorzeit. Von den gernzitierten Germanen bis zu griechischen Denkern - sie allelabten, berauschten und stärkten sich mit Met. Nicht nurfür den Kampf, sondern auch für die (körperliche) Liebe.So galt in arabischen Harems ein Cocktail aus Met und Kokosmilch,gemeinsam mit Fischgerichten eingenommen, alsleistungssteigerndes Lendentuning.Züchtiger ging es in unseren Breiten zu. Hier spielte derHonigtrank vorwiegend bei vorösterlichen Beichttagen,Kirchweih und Fronleichnam eine Rolle und kaum eineWallfahrt wurde ohne ihn unternommen. Besonders geschätztwurde er von Frauen. Womit wir auch schon beieinem seiner sensorischen Vorteile wären: Der vermeintlichenSüße.

Traumatische Erfahrungen

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Meist sind es die zahllosen Mittelalter-Biomärkte, die dazuverführen, sich in romantischer Stimmung diesem Themahandfest zu nähern. Um es leider oft auch gleich wieder zubeenden, wie mir Freunde enttäuscht gestanden. Ihre Papillenwurden von betäubender Süße lahm gelegt, danachfolgte eine kratzbürstige Passage des Rachenraums. TraumatischeErfahrungen, die sich zu einem massiven Vorurteilverdichteten und ihren Zugang zu diesem alten Kulturgutverwehrten.Ich war entschlossen, ihre Blockaden mit einer kleinenVersuchsreihe zu lösen. Zugegeben, meine Prägungsphaseist 30 Jahre her. In der Imkergenossenschaft kam ich aufden Geschmack, und seit jeher sind jene Erzeugnisse ausElsbethen bei Salzburg Maßstab für Met, wie ich ihn schätze.Der Name Dr. Lukas Rettenbacher war mir damals nochebenso unbekannt wie gleichgültig. Es gab ohnehin nur seinenMet - und eben nur dort, wo man neben Kerzen undHonig auch Zubehör für die Bienenzucht bekam. Heuteaber will ich diese verborgene Spezies einmal ins funkelndeLicht heben und jenen Hohepriester der Met-Bereitunghuldigen. So mein Plan. Ich besteige also mein Rad und fahrezum Met-Papst nach Elsbethen, um eine Überraschungzu erleben.

Das Geheimnis des Met-Bunkers

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"Na, na, fotografi ert wird bei mir ned´", wehrt Rettenbacherentschieden ab. Auch ein Konterfei seiner selbst lehnt deragil-asketische Riese mit wehend weißem Haarkranz unmissverständlichab. Eigentlich ist es dem ehrlich-geradlinigenKauz gar nicht recht, dass man über ihn schreibt.Zumal er ohnehin genug zu tun hat, gerade jetzt, wo erbeim Abfüllen ist. Eine schwierige Sache also. Nur der tiefin den Fels getriebene Keller darf von außen dokumentiertwerden - ein ehemaliger Luftschutzraum, der die Zisternenbeherbergt, in dem der Met vergärt und lagert. DasGrundstück hatte Rettenbacher, damals noch junger Lehrerim Lammertal, günstig erworben. Durch sein Studiumfand er zu den griechischen Philosophen, zu Paracelsus´Schriften - und zu der Bedeutung von Met in der Antike.Heute beherbergt Rettenbacher rund 40 Bienenvölker."Zugekauft wird nix, das is´ alles von meinen Völkern", betontRettenbacher selbstbewusst. Seit rund 60 Jahren stehtsein verdienstvolles Leben im Zeichen der Biene. "Immenberg"nannte er daher auch sinnenträchtig sein Unternehmen."Der Met war ja damals fast vergessen", meintder Mann, der konsequent dafür sorgt, dass dem kleinenKreis der Liebhaber dieser Spezies der Trank nie ausgeht."Hauptsächlich die Imkergenossenschaften beliefere ich,oder man kann direkt bei mir bestellen", erzählt er. Hinterdiesem markanten Kopf - der dem Leser leider verborgen bleibt, sofern er nicht die Website besucht - stecktjahrhundertealtes Wissen, das sich in seinem Met verdichtet.Im Sinne der Alten betreibt er die Met-Herstellung undperfektioniert sie bis ins kleinste Detail. So verwendet erkeine gefälligen Südwein-Heferassen, sondern ausschließlichHefe, die er aus den Pollen gewinnt.Wie sollte guter Met also schmecken? Wer etwa einemtrockenen Sherry zugetan ist, wird im "Alt Salzburg" eineüberraschend aparte Ähnlichkeit fi nden. Diesen verblüffendenEffekt erreicht man jedoch nur durch eine reine,nahezu restlose Vergärung des Zuckers, der sich in Alkoholumwandelt, was sich hier in nicht unbeträchtlichen14 Volumsprozent bemerkbar macht. Mit viel Fantasieglaubt man leicht harzige Anklänge im "Burg-Met" zu erkennenund zarte Reminiszenzen an Lebkuchen beschertder "Ambrosius". Der "Juvavum" bildet ein herbwürzigesBindeglied zwischen "Alt-Salzburg" und "Burg-Met". Wassie jedoch alle gemein haben: Keine Spur von aufdringlicherKlebrigkeit, sondern eine Vielfalt an Aromen, die es lohnen,sie zu erkunden.

Met-izinische Aspekte

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"Met tut viel Gutes, er bewirkt einen guten Appetit, fördertdie Verdauung, reinigt und stärkt den Magen, schafft ungesundeStoffe weg, befreit von dem, was dem Körper nachteiligist." Das ist nicht etwa quacksalberisches Marktgeschreieines fahrenden Verkäufers, sondern entstammt dem Mundeeines Mannes, der in einer Imkerversammlung - obwohlselbst strikter Abstinenzler - die physiologische Bedeutungdieser Substanz propagierte: Pfarrer Sebastian Kneipp.Knapp drei Jahrhunderte zuvor war es Bombastus Theophrastusvon Hohenheim, besser bekannt als Paracelsus, derdie Vorzüge dieses goldenen Bienenweins gepriesen hatte.Für Rettenbacher, dessen jahrzehntelange Erfahrung alsImker und Produzent unbestritten ist, haben diese Aussagen bis heute Gültigkeit. Wahrscheinlich ist er der einzige, dernicht nur aus Gründen der Tradition, seinen Honigtranknach antiker Rezeptur zu heilbringendem Alkohol veredelt.Das Geheimnis dabei: Die erwiesen positiven Inhaltsstoffedes Honigs werden im Met potenziert. Anders als bei denmeisten Herstellern wird bei ihm die ganze, honiggefüllteWabe vergoren. Darin befi nden sich auch Blütenpollen, diefür den Organismus wertvolle Bestandteile aufweisen, wieetwa Fermente, Vitamine, Mineralien und Aminosäuren.Auch Propolis, ein Harz, mit dem die Waben überzogenwerden, fi ndet sich in Spuren wieder. Da Propolis in Alkohollöslich ist, bietet sich auch dem Genussmenschen einenaturheilkundlich begründete Rechtfertigung, zur (regel)mäßigen Einnahme.

Aus den Tiefen des Kellers und der Zeit

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Nicht nur die Rezeptur stammt aus alten Zeiten, auch derMet selbst ist meist schon sehr betagt. Denn wer heuteeine Flasche "Ambrosius", "Alt-Salzburg" "Juvavum" oderandere Sorten des Doyens der österreichischen Met-Bereitungerwirbt, hält eine rund zehnjährige Kostbarkeit inHänden. So lange nämlich lagert diese würzige Spezialität,angereichert mit all seinen natürlichen Wirkstoffen, dieFotos iStockPhoto, Rüdiger Martin, Leopold Stock-Verlag, Archivdem Met auch seine nuancierten Aromen verleihen.Als ich ihn nach etwa einer halben Stunde verlasse, meint ernoch mit herzlicher Offenheit: "Und schreiben´s kan Bledsinn."Ich hoffe, diesem Wunsch entsprochen zu haben.Ebenso entschuldige ich mich bei Frau Rettenbacher fürdie eventuelle Ungemach und tröste mich darüber hinweg.Mit einem Glase "Alt-Salzburg". Oder vielleicht doch liebereinem "Juvavum"? "Ambrosius", sagt meine Frau. Gut, derReihe nach…

>> Buchtipp

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© Leopold Stocker-Verlag

> "Met - Honigweinbereitung
leicht gemacht"
Karl Stückler, ISBN 3-702-00721-0, 100
Seiten, Leopold Stocker-Verlag, € 14,95

>> Adressen

> Imkerei Immenberg
5061 Elsbethen-Salzburg, Römerweg 1
Tel.: 0662/62 25 80, www.immenberg.at
> Imkergenossenschaft Salzburg
5321 Koppl bei Salzburg, Wolfgangseestraße 95
Tel.: 06221/73 42, www.imkerhof-salzburg.at