Die Oberpfalz und das Reinheitsgebot

Ein Artikel von Nicole Püschel | 21.11.2012 - 16:02
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Transport.Eines der ältesten Amberger Bierfahrzeuge.Man beachte Kettenantrieb und Vollgummireifen. © Kneitinger

Die im Nordosten Bayerns gelegene Oberpfalz grenzt an Oberfranken, Mittelfranken, Oberbayern, Niederbayern und Tschechien. Das Gebiet der Oberpfalz erstreckt sich von der Donau bis vor das Fichtelgebirge und vom Oberpfälzer Jura bis an die tschechische Grenze. Die Oberpfalz umfasst sieben Landkreise und neben der Hauptstadt Regensburg mit Amberg und Weiden zwei weitere kreisfreie Städte. Das Reinheitsgebot aus dem Jahre 1516 vom Bayerischen Herzog Wilhelm VI. ist das bekannteste und am längsten gültige Lebensmittelgesetz der Welt und wurde in Ingolstadt erlassen. Die Vorlage für diese Vorschrift stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert und entstand in Regensburg, der Hauptstadt der Oberpfalz. Mitglieder des dortigen Stadtrats tranken damals in Gaststätten „böses und arges Bier“ und erstellten einen Ehrenkodex, der es Brauern unter Androhung von Geldstrafen verbot, andere Zutaten zu verwenden als Wasser, Hopfen und Malz. Von der Hefe als vierte Brauzutat wusste man damals übrigens noch nichts. Es war üblich, dass Brauereien neben oder in der Nähe von Bäckereien standen. In der Luft der Backstuben waren reichlich Hefesporen zu fi nden, um eine kräftige Gärung zu bewirken, daher auch der Ausspruch „Heute back‘ ich, morgen brau‘ ich, ...“ Der Verlauf der Gärung und die Entdeckung der Hefe als Brauzutat war somit ein Zufallsprodukt.

Die Oberpfälzer Bierspezialität Zoigl

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© Schloderer Bräu

Mit derzeit mindestens 500 unterschiedlichen Bieren aus etwa 75 Brauereien ist die Bierregion Oberpfalz ein Synonym für traditionelle Biervielfalt. Ein klassischer Vertreter für typische Oberpfälzer Bierspezialitäten ist das Zoiglbier. Das untergärige Traditionsbier wird auch heute noch im Oberpfälzer Wald in der Gegend rund um die „Hauptstadt des Zoiglbiers“ in Windischeschenbach und dessen Ortsteil Neuhaus hergestellt. In der offenen Sudpfanne über einem Holzfeuer wird die Maische – ein Gemisch aus Wasser undGerstenmalz – zuerst gekocht, dann gehopft, und als Würze nochmals erhitzt. Nach etwa zehn Tagen Gärungszeit wird das Zoiglbier in Fässer abgefüllt, in denen es noch mehrere Wochen ausreift. Das frische Zoiglbier ist aufgrund seines Herstellungsverfahrens nur vier Wochen haltbar. Ein „Zeiger“, umgangssprachlich „Zoigl“, gab dem Bier übrigens seinen Namen. Dieser „Zeiger“ hängt in Form des „Zoiglsterns“ als Hinweisschild noch heute an dem Haus, in dem das Bier ausgeschenkt wird. Die beiden ineinander verschobenen gleichseitigen Dreiecke des Zoiglsterns symbolisieren die am Brauvorgang beteiligten Elemente Feuer, Wasser und Luft sowie die damals im Reinheitsgebot aufgeführten Zutaten Wasser, Malz und Hopfen. Das Zoigl-Braurecht und das Brauen in Kommunbrauhäusern sind in der Oberpfalz bis zum Jahr 1415 nachweisbar. Die Kommunbrauhäuser sind von den „brauenden Bürgern“ eigenfi nanziert. Jedes Mitglied dieser „Kommune“ zahlt „Kesselgeld“ als Mitgliedsbeitrag. Das Zoigl-Braurecht ist auch noch immer fest mit Haus und Grundstückseigentum verbunden, das heißt, um brauen und ausschenken zu dürfen, muss der Wirt im Grundbuch eingetragen sein. Bei den derzeit 16 Zoiglwirten der Oberpfalz wird der in den Kommunbrauhäusern eingebraute Zoigl nach einem festen Zoiglkalender reihum ausgeschenkt. Den Zoiglkalender fi ndet man unter www.zoiglbier.de. Es gibt zudem spezielle Zoiglwanderungen, die der Tourismusverband Oberpfälzer Wald anbietet.

Die Hauptstädte der Oberpfalz und ihre Biere

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© Lammbräu

Wer eine größere, bierreiche Stadt der Oberpfalz besuchen möchte und dennoch ursprüngliches Zoiglbier sucht, findet beim Bräuwirt in der wunderschönen Weidener Altstadt gleich neben dem Rathaus eine hervorragende Adresse. Dort werden unter mittelalterlichem Tonnengewölbe im Festkeller oder im sonnigen Innenhof prämierte Zoigl-Biere ausgeschenkt. Das Zoigl Hell, Zoigl Dunkel und auch Zoigl Weizen werden direkt in der Gaststätte in der nur 50 Quadratkilometer kleinen Brauerei frisch gezapft. Zur Fastenzeit ist der Zoigl-Bock eine heiß begehrte Spezialität, die ab Anfang Mai ausgeschenkt und schneller getrunken ist, als es Braumeister Friedrich Marcel lieb ist. Besucher des Bräuwirts können sich als wahre Zoigl-Kenner beweisen und bei der Brauereiführung „Brauen & Schauen“ ein echtes Bierdiplom erwerben. Die traditionellen Oberpfälzer Gerichte beim Bräuwirt, wie der klassische Schweinebraten, werden durch die würzige Zoigl-Bier-Kümmelsauce zum einmaligen Geschmackserlebnis. Der Zoiglbierkäse, ein in speziellem Zoigl-Dressing nach Geheimrezept des Hauses mit Zwiebeln eingelegter Limburger, ist in Kombination mit dem dunklen Zoigl-Bier eine wahre Gaumenfreude. Wer auf den Zoigl-Geschmack gekommen ist, kann sich das Bier auch in Bügelverschlussfl aschen mit nach Hause nehmen oder sich nach ausgiebigem Biergenuss gleich eine Übernachtung in einem der heimeligen Zimmer im historischen Bräuwirt gönnen.

Brautradition und Brauinnovation in der Bierstadt Amberg

Bis in die 1970er-Jahre gab es in Amberg zehn große Brauereien gleichzeitig, wodurch Amberg jahrhundertelang europaweit als Stadt mit den meisten Brauereien im Verhältnis zur Einwohnerzahl galt. Heute existieren noch sechs aktive Brauereien bei einer Einwohnerzahl von circa 45.000. Das berühmte Starkbier Salvator stammt übrigens vom Braumeister Frater Barnabas aus der damaligen Amberger Paulanerklosterbrauerei. Er erfand das Starkbier während seines Aufenthalts im Münchener Paulanerkloster. Die 500 Jahre alten Wurzeln der ältesten Amberger Brauerei, der Brauerei Bruckmüller, gehen auch auf eine Klosterbrauerei zurück, nämlich auf die Franziskanerbrauerei. Was dort 1490 als ‚Prewhaus der Parfusserì‘ begann, wurde von der Brauer-Familie Bruckmüller 1803 fortgesetzt. Das Unternehmen befi ndet sich heute mittlerweile in siebter Generation in Familienbesitz und es wird nach wie vor wie zu Gründungszeiten in der Vilsstraße gebraut. Bruckmüller hat helles Bier, Pils, den dunklen Knappentrunk, unfi ltriertes Kellerbier und saisonal Bockbier im Angebot. Eine absolute Spezialität ist „Dunkles Falk“ aus der im Jahr 1900 gegründeten Weizenbrauerei Falk. Die bis in die 70er-Jahre eigenständige Brauerei Falk gehört seit den 70er-Jahren zur Bruckmüllerfamilie. Das Dunkle Falk ist ein untergäriges dunkles Bier in Flaschengärung. Im Gegensatz zu echten Weizenbieren ist es jedoch ausschließlich aus Gerstenmalz ohne Weizenmalz und obergäriger Hefe gebraut. Besonders beliebt war das Weizen Falk früher bei den Rekruten, da die Brauereigaststätte gleich neben der Kaserne zum Einkehren einlud. Ursprünglich genießen wie früher kann man die Bruckmüllerbiere auch heute noch, denn sie werden noch immer zusätzlich in echten Eichenholzfässern ausgeliefert. Gegründet im Dezember 1998 ist das Schloderer Bräu im Herzen der Altstadt die jüngste und kultigste Brauerei in Amberg. Die ohne Schnickschnack eingerichtete Gaststättenbrauerei verströmt beim Betreten ein warmes, heimeliges Ambiente. Daher fi ndet man dort auch alle Generationen gemütlich um den Kupferbraukessel in der Wirtsstube versammelt. Die Bar lädt zum wohl verdienten Feierabendbier ein und im hauseigenen Kaffeehaus lässt es sich ausgiebig mit Freunden brunchen. Das rauchzarte Schloderer Dunkel Bier ist die besondere Bierspezialität des Hauses. Geröstete Malzanteile verleihen diesem vom Bamberger Rauchbier inspirierten unfi ltrierten Bier sein dezentes rauchiges Aroma. Auch das süffi ge Schloderer Hell und das spritzige Schloderer Hefe-Weißbier werden, neben saisonalen Braukreationen wie dem „Hexenstoff“, in dem nur zehn Hektoliter großen Sudhaus frisch gebraut und stilecht in Bügelverschlussfl aschen abgefüllt. Im „Schlodi“, wie die Erlebnisbrauerei bei den Einheimischen liebevoll genannt wird, treffen sich die „jungen Wilden“ auf legendären Partys wie dem Weiberfasching genauso wie redselige Stammtischfreunde, die im sonnigen Innenhof über alte Zeiten quatschen. Die Speisekarte im Schloderer hat neben den bayerischen Klassikern als Blick über den regionalen Tellerrand hinaus auch „außerbayerische“ Überraschungen parat. So fi ndet man neben dem deftigen Bierkutschergulasch im rustikalen gusseisernen Pfännchen durchaus selbst gemachte Pasta mit Trüffel, die Schloderer-Chef und Fan der mediterranen Küche, Gerhard Schmidkonz selbst zubereitet. Wer sich mitten in der Oberpfalz fühlen möchte wie Gott in Frankreich, der kann im Schloderer hauchdünnen Elsässer Flammkuchen genießen. Dazu gesellt sich Bier sogar besser als Wein, auch in Frankreich trinkt man in den traditionellen „Bierstubn“ zum Tarte Flambée gerne ein kühles Blondes.

Bierperlen aus der Schlossbrauerei Hirschau

Zwischen Weiden und Amberg fi ndet man in der idyllischen Kleinstadt Hirschau eine echte Traditionsbrauerei, die private Schlossbrauerei Hirschau, die in diesem Jahr ihr 200. Jubiläum feiert. Seit sieben Generationen ist die Brauerei mit angeschlossener Hotel-Gaststätte, die sich im historischen Hirschauer Schlossgebäude befi ndet, im Privatbesitz der Familie Dorfner. Für die Weiterführung des Brauhandwerks ist bereits gesorgt. Der 16-jährige Sohn des Brauereichefs Franz Dorfner will auf jeden Fall in die Fußstapfen seines Vaters treten. Die Liebe der Bierdynastie Dorfner zum goldenen Gerstensaft merkt man auch dem Geschmack der Biere an. Das Dorfner „1812 Original“, ein klassisches Helles, hat es beim internationalen European Beer Star Wettbewerb, der Olympiade der Biere, unter Hunderten von Konkurrenten unter die letzten Zehn geschafft. Besonders stolz ist Brauereichef Dorfner auf seine Spezialbiere. Mit saisonalen Spezialitäten wie dem hellen Festbier, dem frischen Johannibier, dem würzigen Märzen Erntebier oder dem vollmundigen Bockbier, widmet die Brauerei jeder Jahreszeit ihr passendes Bier. Zum diesjährigen Hirschauer Brauereifest, das am 20. und 21. Juli mit live Jazz-Musik und zahlreichen Attraktionen für Groß & Klein aufwartet, wird anlässlich des 200-jährigen Brauereibestehens ein Sondersud angesetzt. Als Jubiläumsbier wird ab Juli ein besonders süffi - ges Helles ausgeschenkt. Auch wenn die Privatbrauerei Dorfner immer wieder Bierabwechslung bietet, bleibt sie der traditionellen Euro-Bierfl asche ebenso treu wie dem hohen Qualitätsanspruch. Wer der Stadt Hirschau einen Besuch abstattet, kann mit einem frischen Dorfner Bier im Gepäck den höchsten Sandberg der Welt erklimmen. Der 120 Meter hohe „Monte Kaolino“ aus Quarzsand steht inmitten einer Bade- & Freizeitanlage.

Der Marktführer für Biobier aus der alten Residenzstadt Neumarkt

Die Neumarkter Lammsbräu, gegründet vor 384 Jahren und davon bereits über 200 Jahre in Familienbesitz, ist der Inbegriff für feines ökologisches Bier. Das beste Bier zu brauen, geschmackvoll und bekömmlich, ohne aber auf Kosten nachfolgender Generationen zu wirtschaften, ist die zur Realität gewordene Vision von Dr. Franz Ehrnsperger. Er leitet die Brauerei in der mittlerweile sechsten Generation und sein Sohn wird die Philosophie der ökologischen Braukunst weiterführen. Alle Mitarbeiter bei Lammsbräu sind sich der großen Verantwortung bewusst, die wir alle gegenüber unseren nachfolgenden Generationen haben. Diese Verantwortung zwingt uns zu einem bewussteren Umgang mit der Natur. Lammsbräu ist die derzeit weltweit führende Biobrauerei und verfügt auch über eine hauseigene Mälzerei. Rund 60.000 Hektoliter Bier pro Jahr, hochreines Bio-Mineralwasser und eine breite Palette an geschmackvollen Öko-Fruchtsaftgetränken stehen bei Lammsbräu im Angebot. Sowohl die Inhaltsstoffe der Biere als auch der gesamte Brauprozess müssen kontrolliert ökologisch und umweltverträglich sein. Um dies sicherzustellen, hat sich Lammsbräu selbst zehn ökologische Gebote auferlegt. Das Lammsbräu Portfolio umfasst Pils, Weißbiere, alkoholfreie Biere und für Allergiker sogar glutenfreies Bier. Eine besondere obergärige Bierspezialität ist das „Lammsbräu Dinkel“, gebraut aus dem bereits von Hildegard von Bingen aufgrund seiner gesundheitsfördernden Wirkung hoch geschätzten Dinkelkorn. Spritzig wie ein Weißbier schmeckt das Lammsbräu Dinkel, mit einem Alkoholgehalt von 5,2% Vol., fruchtig, leicht nussartig und ist zudem sehr bekömmlich. Alle in den Brauprozessen verwendeten Rohstoffe wie Braugerste, Weizen, Dinkel und Hopfen werden ökologisch in der Heimatregion Neumarkt angebaut, denn das Reinheitsgebot beginnt bei Lammsbräu bereits auf dem Acker. Dem Brauereibesitzer liegt die persönliche und faire Handelsbeziehung zu „seinen“ 120 Bauern des örtlichen Erzeugerausschusses daher ganz besonders am Herzen. Im Jahr 2001 wurde Dr. Ehrnsperger für sein außerordentliches Engagement mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Das Preisgeld investierte der Unternehmer sofort in eine energieeffi zientere Flaschenwaschanlage. Die durch diese Maßnahme jährlich erzielte Einsparung in Höhe von 10.000 Euro bildet nun das Preisgeld für den fi rmeneigenen Lammsbräu Nachhaltigkeitspreis, um den sich namhafte Journalisten und bekannte Persönlichkeiten bewerben.

In der Oberpfälzer Hauptstadt ist der Bock los

Vor über 400 Jahren wurde erstmals die Existenz einer Brauerei auf dem Anwesen des heutigen Kneitinger am Arnulfsplatz im Zentrum von Regensburg dokumentiert. Nach einigen Eigentümerwechseln ging die Brauerei in denBesitz von Johann Kneitinger I. über. Dem gelernten Braumeister ist die Entwicklung des überregional bekannten und mehrfach ausgezeichneten „Kneitinger Bock“ zu verdanken. Die Kneitinger Brauerei blieb bis zum Tod von Sofi e Kneitinger, der Ehefrau von Johann Kneitinger III., in Familienbesitz. Da die Ehe der Kneitingers kinderlos blieb, wurde die Brauerei nach dem Tod von Sofi e Kneitinger auf deren Wunsch auf die „Hans und Sofi e Kneitinger-Stiftung“ übertragen. Aktuell leiten fünf Stiftungsmitglieder die Brauerei und unterstützten soziale Einrichtungen der Stadt Regensburg. 25.000 Hektoliter Kneitinger Bier werden jährlich direkt gegenüber des historischen Mutterhauses in Kupferkesseln gebraut. Eine Standleitung zum Stammhaus stellt sicher, dass das am Tresen gezapfte Bier absolut frisch ins Glas kommt. Der Kneitinger ist in Regensburg mit Abstand die beliebteste Traditionsgaststätte und genießt bei den Studenten Kultstatus. Zum legendären Bockbieranstich, der die Kneitinger Bockbiersaison bis Ende April einleitet, fi nden sich am ersten Donnerstag im Oktober jeden Jahres bis zu 3.000 Besucher ein, wenn der Stammhauswirt zur Feier des Tages wieder zünftiges Gratis-Essen serviert. In diesem Jahr gibt es Zuwachs in der Kneitinger Bierfamilie. Das bernsteinfarbene „Kneitinger Sommerbier 1861“ ist mit seinen 4,9% Vol. ein spritziger Genuss vor allem für die heißen Tage. Weniger stark gehopft als das Kneitinger Edelpils besticht es durch ausgeprägteres Aroma und weniger Bittere.

>>Link.Tipps

 Alles rund um die Oberpfalz  > www.dieoberpfalz.de     Vorgestellte Oberpfälzer Brauereien  > www.braeuwirt.de    > www.bruckmueller.de    > www.dorfner-schlossbrauerei.de    > www.kneitinger.de    > www.lammsbraeu.de    > www.schlodererbraeu.de   Weitere traditionelle Oberpfälzer Privatbrauereien  > www.brauerei-winkler.de    > www.naabecker.de    > www.zumkummertbraeu.de