Ein schweinisches Vergnügen

Ein Artikel von Johannes Rottensteiner | 13.12.2022 - 15:04
08_3.jpg

© andrea@sturmwarnung.at

Er duftet an Sonn- und Feiertagen frisch aus den Küchen, unter der Woche findet man ihn kalt zwischen Brotscheiben, und mittlerweile gibt es ihn auch in Gläsern und Dosen als Brotaufstrich: Der Schweinsbraten ist mitsamt seinen anderswürzigen Anverwandten eine österreichische Institution. Tatsächlich ist er für die heimische Küche so selbstverständlich, dass man annehmen könnte, es hätte ihn schon immer gegeben – und mit ein bisschen Toleranz in Sachen Rezeptur stimmt das auch.

Welches Stück ist das beste?
Es fängt schon mit dem Fleisch an. „Ein schönes Stück Schweinernes” – natürlich, aber welches? Schopfbraten, Karree, Schulter, Schlögel oder Bauchfleisch sind geeignet und bringen jeweils spezifische Eigenschaften mit. Schulter und Schopfbraten bleiben in ihrer durchzogenen Art auch bei längerer Garzeit saftig. Das Karree verspricht mit seinem Speck eine köstlich-knusprige Kruste bei zarter Fleischeslust. Das Bauchfleisch, lange Zeit als Notlösung geschmäht, erlaubt mit seinem etwas höheren Fettanteil intensive Geschmackserlebnisse und Knusperfreuden. Der Schlögel hat im Idealfall bei guter Muskelmasse das perfekte Speckranderl zu bieten.

Die richtige Würze
Nach dieser ersten Entscheidung liegt die nächste Herausforderung in der „ordentlichen“ Würzung. Unverzichtbar ist dabei der Knoblauch, der ruhig dick aufgetragen wer-den darf. Ganz klassisch begnügt sich der Schweinsbraten ansonsten mit Salz und Kümmel, doch ohne Pfeffer findet man ihn heutzutage selten. Rosmarin, Majoran und Lorbeerblatt tragen ebenfalls oft zur Geschmacksorgie bei.

08_5.jpg

© andrea@sturmwarnung.at

Ab ins Rohr!
Ist das auserwählte Stück dem persönlichen Geschmack nach verfeinert, muss es ins Rohr, um von dort nach entsprechender Garzeit (Richtwert: eine Stunde/Kilo bei 180 Grad Celsius) als köstlicher Genuss mit knuspriger Kruste wiederaufzutauchen. Es folgt der schwierige Weg zum Kruspelgenuss. Die ideale Kruste darf fett sein, aber keinesfalls zäh. Diese Kruste, so behaupten Genießer, ist das eigentliche Geheimnis des perfekten Schweinsbratens, und auch hier führen mehrere Wege zum Glück.
Den letzten Schliff gibt je nach Glaubensrichtung eine kurze Schlussrunde von zirka 15 Minuten im Ofen mit starker Oberhitze (bis zu 250 Grad Celsius) oder Grillfunktion, eine Glasur mit einem Hauch Zucker zum Karamellisieren oder der leichte Wasserentzug durch Verwenden der Umluftfunktion. Wie oft man das Fleisch auf dem Weg zum fertigen Braten mit dem werdenden Saft übergießt, ist ebenfalls intensiver Diskussionsgegenstand kulinarischer Schulen – die Schwarte allerdings soll dabei immer „trocken“ bleiben, sonst wird sie zäh.

06_Schweinsbraten_30.jpg

Kümmelbraten mit Eräpfelknödel © Herbert Lehmann

Variantenreich
Das so entstandene Wunderwerk kommt, hoffentlich ebenso saftig wie knusprig, in zentimeterdicken Scheiben auf den Teller. Ob daneben dann ein Knödel, Sauerkraut oder Erdäpfel liegen, bleibt der Kreativität der Köche überlassen – wichtig ist, dass der Saft stimmt. Er wird nach dem Garvorgang gesiebt, eventuell nachgewürzt und etwas eingedickt und trägt schließlich den Geschmack der ganzen komplizierten Entstehung in sich. Wie immer man den Schweinsbraten letztendlich zubereitet: Er schmeckt nicht nur warm. Was am Tag der Zubereitung trotz aller Köstlichkeit nicht mehr in den Magen passen will, kann in der Folge auch kalt genossen werden – am besten auf einem schönen Stück Schwarzbrot, oder, vielleicht gesünder, von cremigem Senf begleitet zum Salat.