Tierwohl schmeckt man leider nicht

Ein Artikel von Redaktion | 12.01.2023 - 09:00
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Christina Mutenthaler-Sipek © AMA Marketing GmbH 

Trägt die AMA-Reform auch Ihre Handschrift?
Mutenthaler: Mit der AMA-Gesetzesnovelle hat der Gesetzgeber im Sinne unserer Bäuerinnen und Bauern gehandelt. Dank dieser neuen Regelungen haben wir bald die Möglichkeit, einen neuen, stärkeren Gesamtauftritt für die Landwirtschaft zu gestalten und ihn vor allem mit zeitgemäßen Marketinginstrumenten umzusetzen. Das ist mir ganz wichtig. Wir werden das AMA-Gütesiegel mit seiner Qualitäts- und Herkunftssicherung weiter verbessern und deutlich zukunftsorientierter ausrichten. Das AMA-Gütesiegel ist die wichtigste Marke der Landwirtschaft.

Die AMA-Beiträge werden künftig anhand der Fläche und Tierzahl erhoben. Wo liegen die Vorteile im neuen System? 
Bisher waren unsere Marketing-Aktivitäten und die Qualitätssicherung auf Milch, Fleisch, Ei, Obst, Erdäpfel fokussiert. Bei Getreide, Mais oder Almerzeugnissen haben wir bis dato keine Marketingmaßnahmen und auch keine Qualitätssicherung vornehmen können. Mit dem neuen Zwei-SäulenModell – Produkt- und Flächenbeiträge – können wir künftig für alle wichtigen Themen, wie die Versorgungssicherheit in Österreich, umfassendes Agrarmarketing und eine Qualitätssicherung umsetzen. Oft haben wir Anfragen bekommen, warum es das AMA-Gütesiegel für Getreide nicht gibt, denn Brot und Gebäck sind doch ein Kulturgut. Mit dem neuen Beitragssystem können wir die wichtigen Leistungen kommunizieren, die Landwirte jeden Tag für die Umwelt, für das Klima, für die Biodiversität erbringen.

Derzeit vergeht kein Monat ohne Tierschutzskandal. Oft sind es AMA-Betriebe. Wie kann das passieren? 
Dieses Thema beschäftigt uns und macht uns sehr betroffen. Insgesamt nehmen 44.000 Landwirte am AMA-Gütesiegel teil. In aller Regel arbeiten diese Betriebe sorgfältig nach den vorgegebenen Richtlinien. Wenn aber auch nur in einem Betrieb Missstände aufgezeigt werden, bringt das die gesamte Branche in Verruf. Das ist ärgerlich. Sehr oft stecken persönliche Schicksale hinter den Missständen. Trotzdem sind diese unentschuldbar. Wir verurteilen eine nicht ordnungsgemäße Tierhaltung vehement und verhängen Sanktionen, bis hin zum Ausschluss aus dem AMA-Gütesiegel-Programm. Allein heuer mussten wir leider 45 Betriebe ausschließen.

Braucht es mehr Kontrollen? 
Österreichweit findet alle paar Minuten eine AMA-Gütesiegel-Kontrolle statt. Das sind jährlich rund 15.000 Kontrollen bei unseren landwirtschaftlichen Erzeugern. Eine 100-Prozent-Sicherheit wird man aber nie schaffen, weder aus sachlicher Sicht erreichen noch geht sich das wirtschaftlich aus. Unsere AMA-Kontrollen sind risikobasiert. Das heißt, dass ein Betrieb, in dem es Mängel gegeben hat, künftig öfter kontrolliert wird. So gehen auch Lebensmittelinspektoren vor. Wir werden in Zukunft viel stärker auf die Möglichkeiten der Digitalisierung setzen und mit Kontrollergebnissen etwa aus dem Veterinärbereich vernetzen. Das beste Kontrollsystem wird aber nicht verhindern können, dass Einzelne aus der Reihe tanzen. Verhindern können das nur die Betriebe selbst. 

Solche Skandale sind ein Schaden für die Marke. Gibt es da künftig eine andere Strategie? 
Laut aktuellen Umfragen vertrauen 70 Prozent der Konsumenten in Österreich dem AMA-Gütesiegel. Die allgemein negative Stimmung sowie das Misstrauen gegenüber öffentlichen Institutionen schwächen diesen Topwert aber ab. Die Konsumenten wollen heute wissen, wie die Tiere gehalten werden und interessieren sich für die gesamte Wertschöpfungskette. Nur mit transparenter Kommunikation schaffen wir es, Glaubwürdigkeit zu erzielen. 

Wie lässt sich die Kauflust für Tierwohl- oder Premiumprodukte steigern? 
Wir werden neue, zeitgemäße Kommunikationsformate schaffen. Mit „haltung.at“ haben wir schon gestartet. Dabei lassen wir die Bäuerinnen und Bauern zu Wort kommen. Es ist schade, dass man Tierhaltung und Tierwohl nicht schmeckt! Wir haben nämlich einerseits moralische Einstellungen zur Tierhaltung und gleichzeitig kulinarische Erwartungen. Nur, Moral schmeckt man leider ebenfalls nicht. Es ist eher ein gutes Gefühl und ein gutes Gewissen, die zunehmend wichtiger für den neuen Qualitätsbegriff werden. Würde man Tierhaltung schmecken, würde die Kauflust steigen.

Wann kommt die Kennzeichnung der Haltungsformen? 
Wir haben sämtliche Vorbereitungen getroffen und hoffen auf eine Umsetzung im ersten Halbjahr 2023. Wichtig ist uns eine Branchenlösung für heimische wie auch importierte Produkte.

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