Wein und Käse - 2 die sich mögen (käse.pur 1/07)

Ein Artikel von Redaktion | 05.04.2007 - 00:00
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Lange Zeit rankten sich viele Geschichten um die besten Kombination von Käse und Wein. Es zaht sich aus, sich ein eigenes Urteil zu bilden. © Fotolia Photocase Hans Leitner Anton Pospisil

Couragierte Genussmenschen haben in den 90er-Jahren eine regelrechte Revolution in sämtlichen traditionellen Regeln der richtigen Kombination von Speisen und Wein eingeleitet. Zahlreiche Epigonen sind ihrem Beispiel gefolgt. Frei von allen kulinarischen Dogmen und Tabus, hin zum lustvollen Experimentieren. Das Spüren und Wahrnehmen geschmacklicher Szenarien am Gaumen macht ganz einfach unglaublich viel Spaß.

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© Fotolia Photocase Hans Leitner Anton Pospisil

Weichkäse und Südbahnwein
Den Weinen der Thermenregion, im Fachjargon auch "Südbahn" genannt, wird nachgesagt, dass sie besonders gute Begleiter zu Käse sind. Sortenraritäten wie Neuburger, Zierfandler und Rotgipfler sind hier zu Hause, Weißweine mit viel Schmelz, feinem Aroma und dezenter Würze. Die Rotweine werden vornehmlich aus den Sorten Pinot Noir, St. Laurent aber auch Zweigelt und Cabernet Sauvignon gekeltert. Sie erfreuen mit tendenziell feingliedriger Struktur, fruchtbetontem Charakter und viel Finesse. Da sollten doch Weichkäse gut dazu passen. Wir haben es ausprobiert.

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Camembert & Co. zeigen eine Vorliebe für Weine in rot oder mit zarter Restsüße © Fotolia Photocase Hans Leitner Anton Pospisil

Verkostungsprozedere
Ein vinophil-hedonistisches Team, bestehend aus Mag. Regina Reitter, Dr. Herbert Denk, Thomas Zanjat und Dagmar Gross, hat die erste Verkostung dieser hier regelmäßig erscheinenden Verkostungsreihe von Wein und Käse gestaltet. Uns war wichtig, die verschiedenen, aufeinander treffenden Weine und Käsesorten zunächst jeweils für sich zu verkosten und zu beschreiben. Natürlich "blind", also ohne zu wissen, um welche Produzenten und Sorten es sich handelt. Durch das "abspeichern" der jeweiligen Geschmäcker vorab, konnten wir beim anschließenden gemeinsamen Genuss die Veränderungen wesentlich besser erkennen und verbalisieren. Da der Fokus vor allem dem Käse galt, haben wir jeweils einen Vertreter davon (dieses Mal vier Vertreter aus der Produktrange von Schärdinger), mit allen verschiedenen Weinen verkostet. Um den Käse für den Wein aufnahmefähiger zumachen, sollte dieser zuerst am Gaumen etwas zerkaut werden. Dadurch lässt sich gut feststellen, dass mit der einhergehenden Erwärmung der beiden Produkte, auch die Ausprägung der Aromen zunimmt. Besonders vorteilhaft wirkt sich das bei noch nicht ganz ausgereiftem Käse aus. Um möglichst objektiv zu bleiben, haben wir uns darauf konzentriert, nicht so sehr zu werten, sondern vor allem zu messen. Zum Beispiel: Wie viel diese beiden Partner beim "tête-á-tête" an Präsenz halten können, wie intensiv sich einzelne Aromen entwickeln oder wie stark sich der Geschmack und die Textur durch die Vermählung am Gaumen verändern. Zuletzt spielt auch der Nachhall eine bedeutende Rolle. Stimmt die Kombination, gerät man beinahe in einen Sog des Verlangens nach mehr. Zeigen sich jedoch die
beiden Produkte am Gaumen die kalte Schulter, hält sich dieses in Grenzen.

Conclusio
In Summe haben uns die Weichkäse in Kombinationen mit Rotwein und Weißwein mit etwas Restsüße am besten gefallen. Ein eindeutiges Ergebnis konnten wir aber nicht feststellen. Daher sind die beiden hier gegenüber präsentierten Paare auch nicht die jeweils beste Kombination, sondern sollten den optischen Zugang erleichtern. Darauf, eine paarweise Lösung willkürlich herbeizuführen, haben wir verzichtet. Dafür haben manche Kombinationen einfach zu stark polarisiert. Doch der Weg ist das Ziel. Wir haben viel über unsere Sinnesempfindungen erfahren und obendrein noch Freude am Vergleichen derselben gehabt.

Vier mal Vier
Vier Käsesorten mit ebenso vielen Weinen zu verkosten erfordert auch viel Konzentration. Immerhin werden die Geschmacksnerven dabei von 16 verschiedenen Eindrücken gefordert. Um den spielerischen Zugang nicht zu strapazieren, ist es je nach Belieben sinnvoll, nur jeweils zwei oder drei Käse- und Weinsorten auszuwählen.

TIPP
Wichtig ist, zu seiner eigenen Wahrnehmung zu stehen, auch wenn sie gar nicht zur gruppendynamisch gebildeten Meinung passt.

Wo der Wein zuhause ist
Karl Alphart, Traiskirchen
2514 Traiskirchen, Wienerstraße 46
Tel.: 02252/523 28, www.alphart.com

Johann Stadlmann
2514 Traiskirchen, Wiener Straße 41
Tel. 02252/523 43, www.stadlmann-wein.at

Freigut Thallern
2352 Gumpoldskirchen, Postfach 20
Tel.: 02236/534 770, www.klosterweingut-thallern.at

Johanneshof Reinisch
2523 Tattendorf, Im Weingarten 1
Tel.: 02253/814 23, www.j-r.at

Die Teilnehmer

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© Fotolia Photocase Hans Leitner Anton Pospisil

Eindeutige Siegerpaare konnten wir nicht feststellen. Das wäre wohl auch zu einfach gewesen. So bleibt die Spannung am Ausprobieren erhalten.

Rahm Camembert
Dieser Käse mit weißem Edelschimmel und rahmgelbem Teig schmeckt, je nach Reifestufe, leicht säuerlich bis zart pikant und zeigt ein feines Pilzaroma.
Preis (100g): ab € 1,89
erhältlich bei: Merkur, Spar

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Neuburger Hausberg (2005)
Frisch, Zitrusnoten, Heublumen, grüne Banane; zugänglich, sehr belebt, rassig, finessenreich, von sehr eleganter Gestalt, zarter Schmelz, langes Finish.
Preis: € 6,50
Weingut: Karl Alphart, Traiskirchen








SÜSS UND ROT
Dass zu Weichkäse meist Süßwein gut passt bestätigt die Kombination mit dem Zierfandler: "Tolle Harmonie" ist in den Verkostungsnotizen zu lesen. Richtige Euphorie kommt aber erst auf, als der Pinot Noir ins Spiel kommt. Der Camembert lässt diesen fruchtbetonten, rassigen Wein wesentlich weicher erscheinen, der Käse wirkt dazu unglaublich sanft und cremig.

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© Fotolia Photocase Hans Leitner Anton Pospisil

Weinkäse
Ein Weichkäse mit Naturrinde in Rotweingeläger reift. Die fast schwarze Rinde, die der Milchschimmel im Lauf der Reife mit einem weißen Flaum überzieht, sollte auf jeden Fall mitgegessen werden. Sein geschmeidiger Teig wird von einem fruchtigen, leicht säuerlichen Geschmack ergänzt.
Preis (100g): ab € 1,49
erhältlich bei: Merkur, ADEG, Spar

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© Fotolia Photocase Hans Leitner Anton Pospisil

Zierfandler Igeln (2003)
Florale Duftanmutung, Honigmelone, frisch geriebene Walnüsse; cremig, weich, bunter Fruchtsalat, Vanilleschoten, cremige Fülle, von stimmiger Süße unterlegt, feinnerviges Säuregerüst, wunderbar ausgewogen. Preis: € 9,90Weingut: Johann Stadlmann, Traiskirchen








BIZZAR-ATTRAKTIV
In Kombination mit dem Neuburger kommt der fruchtige Charakter vom Weinkäse noch besser heraus -"alles wirkt frischer". Der Zierfandler trifft hier auf einen Seelenverwandten und durch die Ergän-zung mit dem Grauen Mönch wird der Käse intensiver. Ein bizzar-attraktives Paar bilden Weinkäse und Pinot Noir, sie punkten durch die vielfältigen Geschmacksnuancen mit viel Dynamik am Gaumen.

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© Fotolia Photocase Hans Leitner Anton Pospisil

Dolce Bianca
Ein zart schmelzender Weichkäse mit edlem, weißen Schimmelrasen und blaugrüner Schimmeläderung im Inneren. Das milde Pilzaroma des Weißschimmels bildet mit dem pikanten Aroma des Blauschimmels eine wunderbar cremige und feinwürzige Kombination.
Preis (100g): ab € 1,49
erhältlich bei: Spar Graz, Spar Tirol, Spar OÖ

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© Fotolia Photocase Hans Leitner Anton Pospisil

Ruländer Spätlese Ried Ronald (2005)
Gelber Apfel, Birnenschale; sehr präsent, die frische Säure geht mit der zarten Restsüße eine spannende Liaison ein, der dezent spürbare Gerbstoff bildet das Rückrat.
Preis: € 7,-
weingut: Freigut Thallern, Gumpoldskirchen







WIE KIRSCHLIKÖR
Der Zierfandler wirkt durch den Käse fruchtiger und spannungsvoller und die dezente Blauschimmelnote des Käses wird attraktiv hervorgehoben. Der Star dieser Begegnung ist wieder der Pinot Noir, der unsere Gaumen in eine völlig andere Geschmackswelt führt. Unsere Assoziationen reichten von "erinnert an dunkle Schokolade" bis "wie Kirschlikör"

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Rosso
Eine milde Rotkulturspezialität aus dem steirischen Ennstal. Während seiner Reifezeit sorgfältig mit Rotkultur behandelt, entwickelt er sein typisches mildwürziges Aroma. Der Milchschimmel an der Oberfläche des Rosso rundet den Geschmack harmonisch ab.
Preis (100g): ab E 1,39
erhältlich bei: Billa, Spar Graz, ADEG, Merkur

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Pinot Noir Reserve Grillenhügel (2004)
Saftige Kirscharomen und reife Weichsel, dahinter tabakige Noten; wildwürzig, die feingliedrige Struktur entspricht ganz der Sortentypizität, mit mehr Luft entwickeln sich schokoladige Nuancen, schlank gebaut, mit Biss und feinkörnigem Tannin.
Preis: € 15,-
Weingut: Johanneshof Reinisch, Tattendorf






SOLID UND UNVERBINDLICH
Mit dem Neuburger entsteht eine solide Partnerschaft mit Alltagsqualität. Von der feinen Süße des Zierfandlers lässt sich der Rosso unglaublich stimulieren und intensiviert sein Aroma. Aufgrund der höflichen Unverbindlichkeit von Grauer Mönch und Pinot Noir gegenüber dem Rosso geht er damit als beste Wahl hervor.