Gemischtes Doppel

Ein Artikel von Barbara Kunze | 06.02.2015 - 09:39
14232135443414.jpg

© Shutterstock/Barbara Neveu

Berufliches und Privates soll man trennen. Die Gastronomie ist die familienfeindlichste Branche, die es gibt. Beziehungen 24/7 (man sieht sich 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche) können gar nicht funktionieren. Mit diesen Vorurteilen wird man konfrontiert, wenn man als Paar in der Gastronomie arbeitet. Ob Würstelstand oder Haubenküche – die Branche zeichnet sich tatsächlich durch zwei Dinge aus: lange Arbeitszeiten und eine gehörige Portion Druck. Dennoch, oder gerade deshalb, finden sich an der Spitze der heimischen Gastronomie besonders viele (Liebes-)Paare. Einige von ihnen haben uns verraten, wie es ist, im Doppelpack zu leben und zu arbeiten.

Birgit & Heinz Reitbauer

14232135363745.jpg

© Steirereck

Heinz Reitbauer wurde die Karriere als Koch quasi in die Wiege gelegt. Seine Eltern Margarethe und Heinz Senior haben erst das Wiener Steirereck, damals noch im dritten Bezirk angesiedelt, dann die Dependance am steirischen Pogusch aufgebaut. Birgit kommt ins Spiel, als sie den jungen Koch Heinz als Assistentin unterstützt. „Übrigens gänzlich ohne Hintergedanken, mir diesen Mann einzukochen“, wie sie betont. Gefunkt hat es erst nach einem Jahr. Eine Hochzeit und zwei (übrigens außergewöhnlich wohlerzogene) Kinder später sind die beiden das erfolgreichste Paar in der heimischen Gastroszene. Das Resultat harter Arbeit. „Wenn man erfolgreich sein will oder mit dem Aufbau eines Unternehmens beschäftigt ist, ist wohl jede Branche familienfeindlich. Und natürlich müssen wir meist dann arbeiten, wenn die anderen, also auch die eigenen Kinder, frei haben“, bestätigt Birgit und fügt hinzu: „Gerade in der Selbstständigkeit ist der Zeitaufwand, den man im Geschäft verbringt, natürlich um ein Vielfaches größer denn als angestellter Mitarbeiter. Da ist es enorm hilfreich, wenn der Lebenspartner im gleichen Betrieb arbeitet.“

Wichtig sei, dass jeder seinen eigenen Bereich habe, für den er verantwortlich ist und vor allem seinen eigenen Erfolg haben kann und darf. „Gottseidank ist unser Betrieb so groß, dass wir beide genug Arbeit haben, ohne uns ständig auf die Zehen zu steigen“, so die Reitbauers. Natürlich verschwimmen dabei trotzdem die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben, „damit hat aber niemand in unserer Familie ein Problem. Denn was wir tun, tun wir gerne – mit vollem Einsatz und Herzblut.“ Konkret heißt das: Heinz kümmert sich um die Küche, Birgit steht an der Front und zeichnet außerdem für die Personalagenden verantwortlich. Natürlich greifen auch im Steirereck viele Abläufe ineinander, die zusammen besprochen und entschieden werden.
„Schlussendlich ist es immer die gemeinsame Anstrengung, die zu einem Gesamterfolg führt. Und wenn man einen Partner hat, der die gleichen Interessen und Ziele verfolgt, ist das eine unglaubliche Stütze und Hilfe. Man gibt sich gegenseitig Kraft und Motivation“, erklärt Birgit die Basis für eine gesunde Beziehung zwischen Arbeit und Alltag.

So haben die beiden auch die schlimme Zeit nach der Übersiedelung des Steirerecks in den Stadtpark bewältigt, in der sie mit harscher Kritik und personellen Veränderungen zu kämpfen hatten. Dem gegenüber stehen allerdings auch sehr viele schöne Momente – privat wie auch beruflich. Damit ist wohl auch der gelungene Umbau des Steirerecks durch PPAG architects gemeint. Riesige Schiebefenster lassen den neuen Pavillon hell und luftig wirken – sind sie geöffnet, sitzt man quasi mitten im Park. Der Blick in die Hauptküche bleibt den Gästen weiterhin erhalten, auch wenn die Vorbereitungsarbeiten und die Experimentierküche in den Keller verlagert wurden. Zahlreiche Gewürze und Kräuter werden nunmehr selbst auf dem Dach des Steirerecks gezogen. Noch ein Detail aus dem Nähkästchen: Vor den Mitarbeitern sind die Reitbauers meist per Sie miteinander – „sehr oft aber mehr aus Spaß“, wie Birgit noch hinzufügt.

Eveline & Walter Eselböck

1423213523563.jpg

© Eselböck

Eveline und Walter Eselböck haben sich sehr früh kennen gelernt. Er war 18, sie 15 Jahre alt, als sie sich dachten: „Wenn´s passt, dann passt´s.“ Nach zwei Jahren wurde geheiratet, die Töchter Barbara und Stephanie ließen nicht allzu lange auf sich warten. Der erste, laut eigenen Angaben nicht wirklich ernst zu nehmende, Gehversuch in der Gastronomie war ein Heuriger in Rust am See. 1984 wurde der Taubenkobel eröffnet, anfangs noch als lustiges Beisl konzipiert.

Lustig war es aber nicht immer: „Anfangs flogen oft die Fetzen“, gestehen die Eselböcks, „dennoch glauben wir, dass eine halbwegs niveauvolle Streitkultur in eine funktionierende Beziehung gehört.“ Noch heute wollen sie sich ein Leben ohne einander nicht vorstellen: „Wir haben uns oft gefragt, wie Paare miteinanderleben können, ohne zusammen zu arbeiten.“ Gemeinsame Interessen – beruflich wie privat – sind für die Eselböcks unerlässlich für ein homogenes Zusammenleben. „Es ist wichtig, auf seinen Partner Rücksicht zu nehmen und ihn voll zu respektieren. Als das erste Mal ein Printmedium bei uns anfragte, wollten wir partout nur zu zweit auf dem Foto sein – nicht Walter als Koch allein mit einem Teller in der Hand“, erinnert sich Eveline. „Trotzdem ist es wichtig, dass jeder seinen eigenen Aufgabenbereich hat und somit seine eigene Erfüllung erfährt.“

Tatsächlich sind es nicht nur Walters Geschicke als Koch, sondern auch Evelines Interesse und Gespür für Wein zu verdanken, dass der Taubenkobel 30 Jahre nach Eröffnung eine Institution der heimischen Gastronomie geworden ist. Nicht zuletzt, weil man sich stetig neu erfunden hat. Damit das auch so bleibt, dafür sorgt mittlerweile der Nachwuchs. „Unsere Kinder waren immer und überall mit dabei. Unsere Leidenschaft und unseren Enthusiasmus haben sie sprichwörtlich mit der Muttermilch aufgesogen“, so die stolzen Eltern. Tochter Stefanie und ihr Mann Eduard Tscheppe keltern auf ihrem Gut Oggau auch Weine für den Taubenkobel, Tochter Barbara und Schwiegersohn Alain Weissgerber arbeiten schon seit einigen Jahren im Taubenkobel mit. Heuer fand die endgültige Übergabe an die nächste Generation statt. Als Seniorchefs wollen sich Eveline und Walter aber auchnach sechs Enkelkindern nicht bezeichnen lassen: „Daran wollen wir uns nicht gewöhnen, wir haben noch so viele Ziele.“ Man wird also weiterhin von den beiden hören, schließlich „ist das Arbeiten für und mit Menschen das Schönste, das es gibt.“

Johanna & Dietmar Maier

14232135132276.jpg

© Maier

Nicht immer ist eine Rollenverteilung endgültig. Als sich Johanna und Dietmar Maier 1968 kennen lernten, wussten beide schon sehr bald, dass sie zusammen bleiben möchten. „Dann war es einfach selbstverständlich, im Betrieb von Dietmars Eltern mitzuarbeiten“, erinnert sich Johanna. Anfangs arbeitete sie als Stubenmädchen im Filzmooser Hotel Hubertus, Dietmar unterstützte seine Mutter in der Küche des Hotelrestaurants. „Das war auch gut so, denn unsere Kinder waren damals noch klein und haben viel Aufmerksamkeit und Zeit beansprucht“.

Nach dem Tod ihrer Schwiegermutter half auch Johanna in der Küche mit. Dietmar erkannte ihr Talent und die Freude, die sie dabei hatte. Er überließ ihr das kulinarische Ruder und kümmert sich seither um die kaufmännische Leitung des Betriebs. „Dietmar schafft mir die Basis und den Freiraum, damit ich in Ruhe kochen kann. Ich bin mir dessen bewusst und dafür überaus dankbar“, streut Johanna ihrem Mann Rosen. „Es gibt nichts Schöneres, als sich selbstbestimmt entfalten zu können. Natürlich gab und gibt es immer wieder unterschiedliche Sichtweisen. Aber Dietmar und ich haben immer das Verbindende, nie das Trennende gesucht.“

Paaren in ähnlicher Situation gibt sie folgenden Tipp: „Wenn man nicht nur miteinander lebt, sondern auch miteinander arbeitet, müssen die Aufgaben- und Kompetenzgebiete klar aufgeteilt sein – zumindest in fachlicher Hinsicht. Wichtig ist, dass beide wirklich mögen, was sie tun und dass man bei all der Selbstentfaltung nie die Wertschätzung für das Tun des Partners verliert.“ Als Ausgleich zur Arbeit schenken sich die Maiers Zeit für sich – manchmal als Paar, manchmal individuell. Natürlich sehen sie auch die negativen Seiten der Gastronomie und Hotellerie, doch: „Jede Lebensform hat Vor- und Nachteile. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, beharrlich und standfest zu bleiben und dabei auch noch auf das eigene Wohlbefinden zu achten, ist niemals leicht – egal, welchen Beruf man hat. Ich hätte meinen Kindern gerne mehr Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl in unserem Familienbetrieb eigentlich immer jemand greifbar war.“ Den größten Vorteil ihres Zusammenarbeitens als Paar sieht Johanna in den gemeinsamen Perspektiven: „Man wächst miteinander und denkt von Grund auf langfristiger und nachhaltiger – betrieblich und persönlich.“

Sandra Jedliczka & Tobias Müller, Nicole Baltow & Eduard Dimant

14232135617694.jpg

© Mochi

Was als gemischtes Doppel oft nicht leicht ist, muss als Kleeblatt noch um einiges schwieriger sein, oder? Die vier enthusiastischen Mochi-Betreiber beweisen das Gegenteil. Sandra und Tobi leben seit 13 Jahren in wilder Ehe, Nici und Eddi kennen sich seit acht Jahren, haben bereits einen Sohn, ein zweites Kind ist im Anmarsch. Die Zusammenarbeit war schon vor Eröffnung des japanisch inspirierten Restaurants Mochi im zweiten Wiener Gemeindebezirk erprobt: „Wir ergänzen uns als Kleeblatt perfekt. Eddi ist der Küchenzauberer, Tobi „das Brain“, Nici die fleißige Zahlenbiene und Sandra das kreative Herz.“ Deshalb zweifelten sie auch kaum daran, dass das Ganze auch im eigenen Restaurant klappen würde.

Selbst wenn es zu einem Thema oft vier ganz unterschiedliche Meinungen gibt, der große Vorteil für die Mochis liegt darin, dass sie sich aufeinander verlassen und die Aufgaben auf vier Köpfe verteilen können. „Außerdem würden wir uns als Paar sonst kaum sehen“, ergänzen Sandra und Tobi. Nici und Eddi treffen sich auch beider Arbeit nicht mehr so oft: „Uns wird gerade bewusst, wie freizeit- und familienfeindlich die Gastronomie ist. Durch unseren Sohn Elias war klar, dass Nici beruflich zurücktreten wird – de facto ist sie aber fast allein erziehend.“ Nici bekräftigt: „Daran, dass Eddi meistens arbeitet, habe ich mich schon gewöhnt – ich habe ihn ja schon so kennen gelernt. Schwierig sind für mich die Samstage, an denen ich oft das Gefühl habe, ausschließlich Familien auf der Straße, im Park oder im Zoo zu sehen.“ Was definitiv beiden Paaren fehlt, ist Zeit gemeinsam. „Vielleicht schaffen wir es eines Tages, uns ein wenig mehr frei zu spielen“, hoffen Sandra und Tobi.

Bis dahin werkt Eddi aber weiterhin fast täglich in der Küche – Tobi, Sandra und Nici sind für den Service zuständig. „Dadurch, dass Tobi und ich im Service- und Organisationsbereich unmittelbar miteinander arbeiten, kam es früher zu kleinen Meinungsverschiedenheiten“, gesteht Sandra, „mittlerweile sind die Aufgaben aber so gut verteilt, dass es sich super eingespielt hat. Und abends auf der Heimfahrt ist dann sowieso jeder kleine Streit wieder vergessen und man ist einfach wieder nur ein Paar.“

Was ist man denn während der Arbeit: Kollege oder Paar? Nici und Eddi fühlen sich als Paar, das immer wieder bedenken muss, dass man im Dienst „nur“ Kollege ist. Sandra und Tobi bezeichnen sich als Kollegen, die sich in der Arbeit manchmal heimlich knutschen. Generell versuchen die vier Freunde, während der Arbeitszeit nichts persönlich zu nehmen. Private Themen müssen zuhause bleiben. Dafür werden sie auch mit schönen Momenten belohnt. Sandra und Tobi haben besonders die ersten Monate nach der Eröffnung genossen: „Voll gepumpt mit Adrenalin und ganz viele glückliche Gesichter um uns herum.“ Eddi schätzt das persönliche Gespräch mit den Gästen, „besonders, wenn man merkt, dass sie eine tolle Zeit bei uns haben.“ Für Nici ist es das Größte, „wenn alle vier zusammen arbeiten.“ Und die Mochi-Fans sind noch glücklicher, seit die vier gleich gegenüber den Takeaway- Shop o.m.k. eröffnet haben.

Fazit

Wer in der Gastronomie arbeitet, hat generell wenig Freizeit. Arbeitet man als Paar zusammen, sieht man sich wenigstens ab und zu – auch wenn der manchmal raue Umgang in der Küche nicht die Tonlage trifft, die man von seinem Partner hören will. Eine strikte Arbeitsteilung kann es genauso wenig geben wie die Trennung von Beruf und Privatleben – auch zuhause wird oft noch stundenlang über die Arbeit gesprochen. Und der Stress im Restaurant kommt leider viel zu oft mit ins eigene Heim. Man muss sich die Romantik auf andere Weise erhalten als gemeinsam Abend essen zu gehen – denn da wird meist ganz automatisch die Küchen- und Serviceleistung analysiert. Trotzdem ist es nur logisch, warum es so viele erfolgreiche Familienbetriebe in der Gastrobranche gibt: Ein gemeinsames Ziel vor Augen zu haben, verbindet eben. Und dass Liebe tatsächlich durch den Magen geht, wird wohl auch niemand bestreiten.

Adressen

Johanna Maier:
5532 Filzmoos, Am Dorfplatz 1,
Tel.: 06453 8204, www.johannamaier.at

Mochi:
1020 Wien, Praterstraße 15,
Tel.: 01 9251380, www.mochi.at

Steirereck:
1030 Wien, Am Heumarkt 2a,
Tel.: 01 7133168, www.steirereck.at

Taubenkobel:
7081 Schützen am Gebirge,
Hauptstraße 31-33,
Tel.: 02684 2297, www.taubenkobel.at