A xöchte Partie

Ein Artikel von Andrea Sturm | 20.06.2017 - 14:40

Ein prächtiges Stück Geselchtes ist der klas­sische Star auf dem österlichen Frühstücks­tisch, jausnet sich aber mit Senf, Kren und frischem Bauernbrot auch den Rest des Jahres ausgezeichnet.
Als volle Mahlzeit serviert man es mit Kraut und Knödeln, verarbeitet es zu Selchfleckerln nach Art der Schinkenfleckerl oder umgibt das zer­kleinerte Selchfleisch mit Knödelteig. Wir wollten wissen, welches Gustostückerl aus dem Rauch besonders gut schmeckt und haben eine Jury gebeten, 21 Exemplare aus ganz Österreich zu bewerten. Natürlich kann man die unterschiedlichsten Fleisch­teile geschmacksgebend in den Rauch hängen, die Verkostung blieb jedoch in österlicher Tradition auf Selchschopf und Selchkarree beschränkt.
Geselchtes in all seinen Ausprägungen fällt in die Produktgruppe der Kochpökelwa­ren, das heißt, das Fleischstück wird zuerst eingesalzen. Traditionell muss das Fleisch dafür mehrere Tage bis Wochen in einem trockenen Salzbettoder in wässriger Salzla­ke liegen, beziehungsweise wird Lake in die Fleischstruktur injiziert, bis diese von Salz durchzogen ist. Letzteres spart viel Zeit in der Produktion. Hier kommen auch schon die Gewürze ins Spiel.
Meist übernehmen Knoblauch, Lorbeer und Peffer die Haupt­rolle. Koriander, Wacholder, Senf(saat) und sanfte Zwiebelnoten werden ebenfalls ger­ne verwendet. Der Grundgeschmack aus Fleisch, Rauch und Salz sollte im Idealfall durch die Würze betont, aber nicht übertönt werden, die richtige Gewürzdosis hängt also von der geplanten Weiterverarbeitung ab: Je dichter der Rauch, umso kräftiger darf auch die Würzung ausfallen.
Danach wird das Fleisch in heißem Rauch durchgegart. Wann das erste Stück Fleisch in eine Rauchkammer (oder, ursprünglicher, in den Kamin) gekommen ist, lässt sich na­türlich nicht mehr zweifelsfrei feststellen, denn das Selchen gehört wie das Salzen zu den ältesten Methoden, um Fleisch haltbar zu machen. Niedergeschrieben haben die Zubereitungsmethode jedenfalls schon die alten Römer in vorchristlicher Zeit. Dem Wortstamm nach deutet „selchen“ übri­gens auf die Entstehungsgeschichte die­ser Zubereitungsmethode hin, denn der althochdeutsche Ursprung des Wortes, verwandt mit dem lateinischen „siccus“ und dem französischen „seche“, bedeu­tet „trocknen“. Der Rauchgeschmack war also ursprünglich eher ein Nebeneffekt der Entwässerung über dem Feuer. Ge­selchtes gibt es allerdings nur in Österreich und Süddeutschland, weiter nach Norden zu nennt man das so behandelte Fleisch ganz sachlich Rauchfleisch.
Hierzulande beginnt sich seit ein paar Jahren auch die Schreibung „Xöchts“ zu verbreiten, wohl um den rustikalen Charakter des g‘schma­ ckigen Stükls zu betonen.
Heute verwendet man für das mittlerwei­le höchst erwünschte Raucharoma meist Buchenholz, allenfalls noch den als edler geltenden Wacholder. Früher, in der bäuer­lichen Tradition wurde auch mit Tannenreisig, Akazienholz und Rebstöcken geräu­chert.

Einführung in die Materie

Die Jury und die besten Stücke aus der Selch’ trafen im Wiener Fotostudio der Foodartists Petra Schmidt und Sas?a Asanovic aufeinander. Der Juryvorsitzende DI Wolfgang Wernert vom Fleischtechnologiezentrum Hollabrunn gab eine kurze Einführung in Geschichte und Herstellung von Selchfleisch sowie gute Tipps zur „artgerechten“ Verkostung. Denn während das wichtigste Element je­ der Köstlichkeit natürlich der Geschmack ist, gilt es auch die anderen Sinne prüfend einzusetzen. Schon das Auge soll sich an der mehr oder weniger zarten Scheibe Fleisch erfreuen, bevor der hoffentlich exzellente Duft in die Nase steigt. Erst dann wird mit dem ersten Anbiss die Konsis­tenz des Kandidaten erkundet und das Geschmackserlebnis zwischen Zunge und Gaumen vervollständigt.

Der Sieger kommt aus Wien

Nach vielen Bissen und geschmacklich hochwertiger Diskussion war der Sieger gefunden. Am besten geschmeckt hat un­ serer Jury das Geselchte aus der Wiener Fleischerei Gissinger­-Fröhlich. Das edle Stück überzeugte schon durch seinen ty­pisch rauchig­-angenehmen Duft, zeigte fleischig-­saftigen Biss und war auch ge­schmacklich gut ausgewogen zwischen Rauch und Salz. Der zweite Platz ging ebenfalls nach Wien. Das Geselchte vom Schreiber zeigte sich optisch ansprechend rustikal, verbreitete mit kräftigem Raucha­roma ein sanftes „Kaminfeeling“ und, nach einem kernigen Biss, intensiv würzigen anderen Kandidaten durchaus den einen oder anderen Biss wert sind. Am ande­ren Ende des Feldes bemängelte unsere Jury meist fehlendes oder zu schwaches Raucharoma, auch ein zu viel an Würze oder schlecht ausgewogene Geschmacks­ komponenten führten zu Abzügen, die Fleischqualität selbst wurde jedoch durchwegs als hoch wahrgenommen.
Es lohnt sich also durchaus, nach eigenem Geschmack ein bisschen herumzukosten, um das ideale Stück für den Ostertisch zu ergattern. Allerdings sollte man beim Ein­kauf darauf achten, ob das Geselchte als „essfertig“ etikettiert ist. Ist es das nicht,  muss es vor dem Verzehr noch einmal aufkleiner Flamme durchgegart werden.

Die Top 12

1 Gissinger-Fröhlich (Wien; 4,7 Punkte)
Typischer rauchig-angenehmer Duft, schöner Biss, exzellent ausgewogen in Rauch und Salz, saftig-fleischig, super.

2 Schreiber (Wien; 4,5 Punkte)
Optisch ansprechend rustikal, kräftiges Raucharoma, kerniger Biss, intensiv würzig im Geschmack, Kaminfeeling.

3 Willibald Mandl (Ternberg; 4,4 Punkte)
Ansprechende Optik, wunderschöner Rauchduft, im Geschmack rustikal intensiv, saftig-fleischig im Biss, ausgewogener Abgang.

4 Roman Schober (Gars am Kamp; 4,3 Punkte)
Angenehmes Raucharoma, mild gewürzt mit guter Geschmacksentwicklung, schmeichelnde Textur, mager.

5 TANN St. Pölten Rauchwurzen (Spar; 4,2 Punkte)
Schöne Marmorierung, rauchig-bratiger Duft, saftig und zart, mild und wenig salzig, fleischig auch im Abgang.

6 Radatz (Wien; 4,1 Punkte)
Schöne dunkle Optik, dezent rauchig in Geruch und Geschmack, guter knackiger Biss, saftig, mildwürzig auf der Zunge.

7 Wiesbauer (Wien; 4,0 Punkte)
Dunkel gewürzt, rauchiger Duft, im Mund saftig zart, mild gewürzt, etwas Knoblauch, Salz / Rauch / Gewürz gut ausgewogen.

8 Moser (Wieselburg; 3,9 Punkte)
Sehr schöner Zuschnitt, milder Schweinsbratenduft, saftig und zart, eischig und intensiv salzig im Geschmack, wenig Rauch.

8 Raimund Plautz (Ka?rnten; 3,9 Punkte)
Fleischiger Geruch, wenig Rauch, angenehm mürber Biss, Würze mit Wacholder- und Koriandernoten, verspielter Pfeffer.

8 Martin Karlo (Pamhagen; 3,9 Punkte)
Optisch optimal, dezent rauchiger Duft, auschige Bissstruktur, sehr saftig, intensiv salzig, warmer, leicht rauchiger Abgang.

11 TANN St. Pölten Selchschopf (Spar; 3,7 Punkte)
Optisch schön durchzogen, butterweicher Biss, mild geräuchert, stark salzig, kräftiger Knoblauch.

11 Greisinger Bauernkarree (Hofer; 3,7 Punkte)
Dunkle Optik, deftig in Salz und Würzung, sanft im Rauch, fleischiger Abgang.

11 Robert Hündler (Sitzendorf; 3,7 Punkte)
Dunkel, trotzdem nur leichter Rauchgeruch und -geschmack, sehr mager, brav und sanft in Würzung und Rauch.

Die Jury

» Sas?a Asanovic
Foodstylist

» Norbert Baumrock
IT-Experte

» Mag. Ruth Baumrock
Kulturanthropologin

» Helmut Gattringer
Geschäftsführer TANN St. Pölten

» DI Wolfgang Wernert
Fleischtechnologe im FTZ Hollabrunn

» Andreas Kermer
Gartenarchitekt

» Bernd Kistler
Braumeister

» Werner Sedlacek
Leiter der Gastgewerbefachschule Wien

» Andreas Söllner
Fleischermeister i.R., Schauspieler & Sänger

» Prof Dr. Wolfgang Wetscherek
Institut für Tierernährung, BOKU Wien