GENUSS.Kolumne: Reine Hopfsache

Ein Artikel von Pepi Hopf | 11.09.2020 - 06:00
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© Elena Meraner

Ich weiß, Sie erwarten aufgrund der aktuellen Situation eine Covid-19-Kolumne. Ich muss Sie enttäuschen! Meinereiner ist mittlerweile auf das Virus allergisch. (Der Wiener in mir will übrigens ständig „der“ Virus sagen, ist aber falsch, zumindest das hab ich aus der Krise mitgenommen.) Einen weiteren positiven Effekt hat das Ganze auch gehabt, der mich noch dazu mitten in die aktuelle Glosse hinein katapultiert. Die mehr als 100 Prozent Mediendominanz der Mikrobestie haben einen treuen Weggefährten und lieb gewonnenen Samariter meines Alltags aus der Schusslinie gebracht: den Herrn Zucker!

Jawohl, ich oute mich! Sie lesen gerade das Traktat eines Glukose-Jüngers, eines wahren Fructose-Apostels, kurz gesagt ein praktizierender Laktosiker. Wie ich zu meiner Religion fand? Ganz einfach, sie wurde mir von meinen Eltern schon in früher Kindheit anerzogen, weil das der sicherste Weg ist, die Tradition der Zuckerianer weiterbestehen zu lassen.

Zum Frühstück Kakao und ein Brot mit reichlich Marmelade. Das Gabelfrühstück bestand aus einem Packerl Mannerschnitten und dem obligatorischen „Dreh und Drink“. Ich war tatsächlich bis zu meinem neunten Lebensjahr militanter Vegetarier, da ich als verwöhntes und verhätscheltes Einzelkind auf meine zwei Lieblingsspeisen Palatschinken und Marillenknödel im ausgewogenen Zweitagesrhythmus bestand.
Wasser hab ich manchmal irrtümlich im Freibad geschluckt – dass man es trinken kann, erfuhr ich erst spät. Himbeersaft war mein Treibstoff, natürlich Sirup (das empfohlene Mischverhältnis 1:7 kostete mich ein Grinsen). Und weil ein Kind nicht gesund genug sein kann, bekam ich täglich mein Stamperl Sanostol, ein Vitamingebräu, das sogar mir fast zu süß war und glaub ich aus 200 Prozent Zucker bestand.

Heute, ein halbes Jahrhundert später, müsste eigentlich ein zahnloser, fettleibiger Diabetiker diese Zeilen in die Tastatur klopfen, oder? Mitnichten! Man kann meinen Körper, vor allem wenn ich den Bauch einziehe, durchaus als muskulös bezeichnen. Ich bin im Vollbesitz all meiner Zähne, noch dazu meiner eigenen, und meine Blutwerte sind so durchschnittlich wie ein österreichischer Tatort.
Mag sein, dass ich die Ausnahme bin, die angeblich jede Regel bestätigt, aber das sind Fakten. Wieso also soll ich der allgemeinen Antizuckerhysterie frönen? „Musst Du ja nicht, mach was Du willst“, werden Sie jetzt zu Recht sagen. Muss ich doch, da ich mit der Generalsekretärin der globalen Antizuckerpartei verheiratet bin. Und die Anzahl ihrer Parteigänger wächst in beängstigender Geschwindigkeit an. Sie lauern mir auf, im Fernsehen, im Internet, in Magazinen (ja, AUCH IN DIESEM!). Sie versuchen, mir meine Religion madig zu machen, aber ich leiste Widerstand.

25 Gramm pro Tag?

Wie stellt sich zum Beispiel die Weltgesundheitsorganisation WHO vor, dass ich mit den empfohlenen 25 Gramm pro Tag durchkommen soll? 25 Gramm, das sind, ich hab‘s nachgemessen, sechs Teelöffel!
Die sind beim zweiten Kaffee aufgebraucht, und da bin ich nicht einmal noch richtig wach. Lächerlich auch die Behauptung, Zucker macht süchtig. Ich bin völlig ausgeglichen, solange mir nicht falsche Prediger hinterrücks meine Schokovorräte wegfressen. Es ist das Heuchlerische meiner weiblichen Mitbewohner (Frau und zwei Töchter), das mich auf die Palme bringt. Niemals würden sie Süßigkeiten kaufen, sie doch nicht, wozu denn auch? So etwas essen sie doch nicht. Von wegen!

Meine Wenigkeit, die auf ein krisensicheres Süßigkeitendepot größten Wert legt, achtet also immer auf eine ausreichend gefüllte Naschlade. Und dann ist folgendes Phänomen zu beobachten: Ungeöffnet überleben Schokolade, Tortenecke, Amicelli oder Schwedenbomben Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Aber kaum reiße ich eine Packung an, ist sie in Windeseile leergefressen. Und dann wird’s eng! Weil, wenn ich was Süßes will und es gibt nix mehr, werde ich unrund. Da kann es dann schon sein, dass ich das Kakaopulver reinlöffle oder ins Auto springe und zur nächsten Nachttankstelle fahre. Wer da jetzt ein Suchtverhalten erkennt ... na und ... es ist halt so, besser als das Kind nimmt Drogen, hat meine Oma immer gesagt.

Zucker kann durch nichts ersetzt werden

Ich weiß ... aber ich hab keine Lust auf Nichts! Es ist nur Gewohnheit ... ja, stimmt. Ihr habt eh alle recht. Aber ich habe beschlossen, auch wenn die Position nicht haltbar ist, wenn es sein muss, auch als letzter Mensch auf diesem Planeten die Fahne der Zuckerianer hochzuhalten. Weil sie zählen auf mich, die Zuckerrübenbauern im Marchfeld, der Rüsselkäfer auf dem Acker, der ungarische Zahnarzt in Sopron und so weiter und so fort. Was würden die ganzen Diätberater machen? Worüber sollen die ganzen Gesundheitsapostel sonst schreiben? Wenn der ganze Corona-Wahnsinn vorbei ist, braucht Ihr mich doch wieder als Feindbild – und ich opfere mich gerne am Altar der Kalorien. Ich lass mir von Euch nicht den Zucker vom Brot nehmen.

Mein Fazit: Das einzig Negative, das ich über Zucker sagen kann: Es ist leider kein Fett drinnen! So, und jetzt hab ich mir eine Belohnung verdient ... dreimal dürfen Sie raten, was ...

Ihr Pepi Hopf