Über die Echtheit der Zeit (GENUSS.MAGAZIN I/08)

Ein Artikel von Sepp Wejwar | 01.03.2008 - 00:00
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Seit wenigen Jahren wird auch in der Alpenrepublik Whisky hergestellt. Teilweise in ganz hervorragender Qualität. Das GENUSS.MAGAZIN bringt einen Bericht zum Stand der Dinge.

Whisky entzieht sich dem Gehudel

Hans Reisetbauer, Inhaber eines - laut Eigendefinition - nicht zu klein geratenen Qualitätsvogels, wird 2008 erstmals einen zwölf Jahre gelagerten Jahrgangswhisky abfüllen. Seine Art zu destillieren macht Aromen schmeckbar, deren Existenz kaum jemand erahnt. Selbst geschulte Gaumen werden all ihre Konzentration aufbringen müssen, um so Genießbares für sich erfahrbar zu machen. Reisetbauer hat 2002 erstmals Whisky abgefüllt, Erntejahrgang 1995.
Seit damals füllt er Jahr für Jahr. Dabei bleibt immer ein Teil liegen, der noch länger lagern soll, denn die Zeit der Reife ist für den edlen Stoff aus echtem Schrot und Korn von entscheidender Bedeutung. "Beim Whisky kann es vieles geben, nur keine Schnellschüsse", ist der viermalige Schnapsbrenner des Jahres überzeugt.

400 aus 1.200

Ebenfalls 1995 haben sich Johann und Monika Haider vom Roggenhof in Roggenreith dazu entschlossen, Whisky herzustellen. Aus Roggen, selbstredend. Und aus Gerste. Die wird zugekauft. Aus dem Waldviertel, selbstredend. Ganze vier Mal wird destilliert. Im Gegensatz zu Schottland und Irland, wo mit Fermentierung gearbeitet wird, vergären die Haiders das gequetschte Getreide im Wasser. Im Verhältnis eins zu vier. 72 Stunden lang. Nach Abtrennung von Vorlauf und Nachlauf bleiben von den 1.200 Aromen rund 400 erwünschte im Whisky übrig. Auch aus dem Roggenhof wird es in einiger Zeit einen zwölfjährigen Whisky geben.
Waldviertler Whisky - diese Marke haben sich die Haiders gesichert - hat mindestens 30 Prozent Malzanteil und muss drei Jahre oder länger im Eichenfass lagern. Im Gegensatz zu Feuerwasser, das jenseits des großen Teiches gebraut wird. Das lagert oft nur zwei Jahre, wird eventuell mit fortgeschleppter Vergärung (Sauermaischverfahren) hergestellt und vielleicht sogar mit Zuckersirup nachgefärbt.
Der Roggenhof ist mittlerweile ein großer Betrieb. Im Vorjahr waren über 40.000 Besucher dort, darunter 55 Wiederverkäufer aus Irland. "Es freut uns ganz besonders, wenn die uns sagen, wie begeistert sie von unserem Whisky sind", sagen die Haiders stolz.

Französisches Holz

Seit 2003 wird auch in St. Nikolai im Sausal Whisky hergestellt. Die Destillerie Weutz produziert sieben Varianten: Drei Single Malt’s New Make, drei Single Malt’s New Make Strong und einen Bourbon New Make. Neben Gerste werden auch Dinkel, Weizen und Mais eingebraut. Ausgebaut wird in neuem, französischem Holz. Allier und Limousin, 28 bis 225 Liter. Manchmal nur ein Jahr und das hat seinen Grund. Denn ein neues, kleines Fass mit 28 Liter Fassungsvermögen und "heavy toasting" würde über längere Zeit zu viele Holzaromen an den Brand abgeben. Das Haus ist so erfolgreich, dass die Produktionskapazitäten Ende 2006 vervielfacht wurden. Der Sprung ist gewaltig - von 2.000 auf 14.000 Liter. Diese Reaktion erfolgt nicht nur auf die Steigung der Nachfrage dank ausgesuchter Qualität, es findet auch im erheblichen Marktsegment Firmengeschenke eine Verschiebung statt: Vom Wein zur Spirituose, von der Spirituose im Allgemeinen zum Whisky.
Eine Besonderheit ist der Hot Stone Single Malt aus hundert Prozent gemälzter Gerste. Vor der Gärung werden glühende Lavasteine - sie werden mittels Buchenholzfeuerung auf 1.000 Grad erhitzt - in den süßen Gerstensaft gelegt. Die temperaturbedingte Karamellisierung verstärkt den Malzgeschmack.
Eine seltene und bitterzarte Freude, die bereits hohe Auszeichnungen erringen konnte.

Volles Korn aus Maulbeerfässern

Hafer und Dinkel aus eigener Produktion bilden die Basis für Brände aus dem niederösterreichischen Kottes. Oswald Weidenauer stellt seit 1997 Whisky her und zwar mit vollem Korn. Der Ausbau erfolgt in 115-Liter-Fässern aus Manhartsberger Eiche.
Der Dinkelbrand wird in Maulbeerfässern ausgebaut. Deshalb darf dieser auch nicht Whisky heißen. Liebhaber kantiger und herber Stilistik wird das nicht weiter stören. Der Landwirt vertreibt seine Brände und Liköre zum größten Teil ab Hof, etwa 20 Prozent werden über das Web und die Gastronomie verkauft.

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Kössler’sche Reifelatte

Ab Herbst des kommenden Jahres wird es erstmals einen Whisky aus dem Jakob Prantauer-Geburtshaus geben. Christoph Kösslers Feindestillerie JP liegt in Stanz, heute Teil der Tiroler Stadtgemeinde Landeck.
Die erste Produktion stammt aus dem Jahr 2003 - ergo liegt die Kössler’sche Reifelatte bei mindestens fünf Jahren. Ausgebaut wird teilweise in neuem Limousin-Holz, andere Chargen in Zweitbefüllungen nach Süßwein. Solche Zweit- oder Drittbelegungen wurden ursprünglich nicht aus sensorischen Überlegungen oder gar aus Imagegründen angestrebt. Die Not der allgemeinen Holzknappheit hat erfinderisch gemacht.
Gebrauchte Weinfässer waren die Lösung. Heute dient auch das Gebinde zum Ultra-fine-tuning. Es gibt zumindest einen psychologischen Effekt. Auch Reisetbauer verwendet Secondhand-Fässer.
Er legt besonderen Wert darauf, dass sie von renommierten Winzern kommen. Spitzenprodukt und Spitzenprodukt berühren sich derart, die Schwingungen etwa einer erstklassigen TBA wirken auf den jungen Whisky, begünstigen im feinstofflichen Bereich die Reifung.

Brisky - Bier & Whisky

Die Whiskyproduktion ist mit der Bierbraukunst eng verwandt. Lavabräu, das steirische Brau- und Destillierhaus aus dem Vulkanland hat einen Brisky Single Malt Eiche auf dem Markt platziert. Ab dem Jahrgang 2006 auch aus Biomalz. Der erste marktreife Brisky wurde 2003 destilliert. Ganz in der Biersprache gehalten heißt es: Die Gärung läuft nicht nur obergärig ab. Nach fortgeschrittenem Verlauf wird auch noch eine untergärige Hefe initiiert. So erhält der Brisky seinen breiten, nuancenreichen Geschmack.
Aus vier verschiedenen Malzsorten wird eine intensive Maische gebraut. Der Ausbau im Eichenfass erfolgt maximal 14 Monate, das Etikett verrät uns dazu: Brisky reift dank präzise begleiteter Entstehung in dreifacher Geschwindigkeit. Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass die Getreidebrände aus dem Lavabräu kunstvoll Brisky gerufen werden.
Lavabräu Geschäftsführer Dr. Christian Krotschek sieht mittelfristig die Chance, den innerösterreichischen Marktanteil für heimischen Whisky auf 25 Prozent zu steigern, internationale Bedeutung misst er dem Austrowhisky nicht zu. Kössler stimmt dem zu.
Haider allerdings freut sich über ausländischen Zuspruch, gerade aus so klassischen Whiskyländern wie Irland oder Schottland. Die Tartanträger erzeugen übrigens nur acht Prozent der Weltproduktion. Reisetbauer ist ein Freund des irischen Whiskys: "Keine bestimmte Marke. Aber irischer Whisky ist sauberer destilliert und klarer strukturiert als schottischer." Von amerikanischem Whisky halten die österreichischen Hersteller nicht übermäßig viel.
Die USA sind nicht einmal mengenmäßig der größte Whiskyhersteller der Welt. Den finden wir nämlich in Richtung der aufgehenden Sonne. Laut Reisetbauer in Japan, andere Quellen nennen Indien.

Die Verkostung

Unsere sensorische Prüfung hat eine klare Zweiteilung der eingereichten Proben ergeben. Wer eine zarte Aromatik und die feine Klinge sucht, sollte Whiskys der Trias Reisetbauer, Roggenhhof und Weutz versuchen. Liebhaber einer eher erdigen Aromatik, kantiger Stoffe und ländlicher Noten sollten den Hafer-Malz Whisky von Oswald Weidenauer oder den Brisky aus dem Lava Bräu probieren.
Überaus rund, fein und zugleich vielschichtig sind der Single Malt aus dem Hause Reisetbauer, der Pure Rye Malt vom Roggenhof und der mollige Hot Stone von Michael Weutz. Eine erste Fassprobe des Kössler’schen JP-Whiskys hat ergeben, dass dieser wohl zur Gruppe der feineren Destillate zu zählen sein wird.

Kleine - Whisky - Kunde

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Etymologie. Das Wort stammt von dem gälischen Wort "uisge beatha", was so viel wie Lebenswasser bedeutet. Edle Brände werden gerne "Eau de vie" genannt, die französische Bezeichnung für Schnäpse im Allgemeinen. Der schwedische "Aquavit" wird aus Kümmel gewonnen.

Herstellung. Innerhalb der EU muss Whisky die in der Verordnung Nummer 1576/89 festgelegten Kriterien erfüllen. Gewinnung durch Destillieren von Getreidemaische. Verzuckern durch die in ihr enthaltenen Malzamylasen mit oder ohne andere natürliche Enzyme. Vergärung mit Hefe.
Destillation zu weniger als 94,8 Volumsprozent, so dass das Erzeugnis das Aroma und den Geschmack der verwendeten Ausgangsstoffe aufweist. Reifung mindestens drei Jahre lang in Holzfässern mit einem Fassungsvermögen von 700 Litern oder weniger.

Adressen

Feindestillerie J.P. Christoph Kössler
Getreide. Gerste
Fässer. Eiche, neue Limousine-, gebrauchte Süßweinfässer
Stanz (T), Tel.: 05442/612 00, www.edelbraendetirol.at

Lavabräu
Getreide. Diverse, ab Jahrgang 2006 auch Biomalz
Fässer. neue österreichische Eiche
Feldbach (Stmk), Tel.: 03152/857 53 33
www.lavabraeu.at

Reisetbauer
Getreide. Sommerbraugerste
Fässer. Weinfässer von renommierten Winzern
Axberg (OÖ), Tel.: 07221/636 90, www.reisetbauer.at

Waldviertler Roggenhof
Getreide. Roggen, Gerste
Fässer. Traubeneiche
Roggenreith (NÖ), Tel.: 02874/74 96, www.roggenhof.at

Weidenauer
Getreide. Hafer
Fässer. Manhartsberger Eiche
Kottes (NÖ), Tel.: 02873/72 76, www.weidenauer.at

Weutz
Getreide. Gerste, Dinkel, Weizen, Mais
Fässer. Französische Eiche
St. Nikolai im Sausal (Stmk), Tel.: 03185/344 40 www.weutz.at