Jakobsweg Burgenland

Ein Artikel von José Pérez Ubeda | 07.05.2014 - 13:23
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© Ubeda

Das Thema „Jakobsweg“ ist ein fesselndes, das nicht nur Menschen anspricht, die innere Einkehr suchen, sondern auch den weinsuchenden Pilgern durchaus neue Perspektiven eröffnen kann. Dieses Mal bin ich den Jakobsweg nicht gegangen. Der Grund war just zum Zeitpunkt der Recherche ein Problem mit der Ferse. So weit es ging, fuhr ich den Weg im Herbst mit dem Auto ab und besuchte die Weingüter im November. Anders war es nicht möglich und wenn es meiner Ferse gut geht, werde ich mich per pedes auf den Weg machen, denn es war beeindruckend, was mir da an Landschaft, Menschen, Essen und Weinen entgegenkam. Bereits am Beginn des burgenländischen Jakobsweges, der vor der Basilika von Frauenkirchen östlich des Neusiedlersees startet, lädt ein bekanntes Weingut zum Degustieren ein. 300 m entfernt liegt nämlich das Weingut von Josef Umathum. Das Weingut wurde 1958 gegründet. 1985 übernahm Josef Umathum den Betrieb, der heute über eine Rebfläche von 33 ha verfügt. Seit 2006 werden die eigenen Weingärten biodynamisch bewirtschaftet, da aber der Betrieb Trauben zukauft, werden die Weine nichtals „bio“ deklariert. Die Weine sind elegant, die Roten mit einer wohldosierten Tannin-Struktur und die Weißen mit dem nötigen Biss.

Erde, Freiheit und Familie

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© Ubeda

Ich werde im Weingut von Josef Umathum herzlich empfangen und wir kommen schnell ins Gespräch. „Ich brauche Erde zwischen meinen Fingern, um Wein zu machen; diese Erde hier, wo ich aufgewachsen bin. Ich möchte diese Landschaft, die für mich Heimat ist, im Wein verewigen. Wenn jemand, egal wo auf der Welt, eine Flasche von meinen Weinen öffnet, soll man diese Landschaft schmecken und spüren können.“ Beim Abschied sagt der Winzer: „Der Blaufränkisch Kirschgarten 2009 ist der richtige Wanderwein. Er erfrischt und gibt dem Pilger Kraft.“ 

Der Weg führt auf der Landstraße durch weite Felder nach Halbturn. Die Landschaft ist absolut flach. Die einzigen Erhebungen sind einzelne Bäume und Sträucher. Kurz vor der Ortschaft fangen die Weingärten an. Direkt am Jakobsweg – in einer wunderschönen Allee, die zur Kirche führt – liegt das Weingut Artisan Wines. Franz Schneider begrüßt mich verschmitzt und meint: „Meine Freundin kennt dich, du bist der Pépe.“ Das erstaunt mich, denn ich kenne den Winzer nicht. Dieser löst das Rätsel auf und ich erfahre, dass seine Freundin mit mir gemeinsam die Weinakademie in Rust besucht hat. Wie klein die Welt doch ist! Franz erzählt, dass er das Weingut 2009 von den Eltern übernommen hat. Der Betrieb umfasst 5 ha Rebfläche, und alle anfallenden Arbeiten werden von der Familie selbst getätigt. Auch bei der Lese wird kein zusätzliches Personal eingesetzt. Franz liebt eigenwillige feste Weine. Tannin wird bei den Rotweinen reichlich zugelassen und bei den Weißen ist immer eine erfrischende Pikanz vorhanden. „Man muss meinen Weinen Zeit zum Reifen geben, und sie erst nach ein paar Jahren trinken. Dann machen sie so richtig Spaß. Beim Weinmachen hat man als Winzer alle Entscheidungen selbst zu treffen, aber auch alle Konsequenzen selbst zu tragen, und genau das gefällt mir“, so der Winzer. Der Betrieb ist als CO2-neutral zertifiziert.

Der Pilgerweg führt weiter mitten durch den Schlosspark von Schloss Halbturn. Dann schlängelt sich der Weg auf zum größten Teil nicht asphaltierten Güterwegen am Rande des burgenländischen Wagram entlang bis Neusiedl. 20 km geht es ausschließlich durch Weingärten – Reben, so weit das Auge reicht. Um zum Weingut Pöckl in Mönchhof zu gelangen, muss man einen Abstecher von 600 m in Kauf nehmen, der sich aber lohnt. Beim Plaudern mit Theresa Pöckl stellt sich heraus, dass sie im Frühjahr 2013 den spanischen Jakobsweg gegangen ist. Pilger des spanischen Jakobsweges fühlen sich wie Mitglieder einer großen Familie. Man hat sich etwas zu sagen, ist offen füreinander und teilt die Erlebnisse und die Gefühle, die am Camino erlebt wurden. Wir sprechen über die Weine und über die Philosophie des Hauses, die darauf ausgelegt ist, die Qualität der Lagen in die Flasche zu bringen. Ein kräftiges Tanningerüst trägt zur hohen Qualität und Langlebigkeit der Weine bei, die, wenn sie eine gewisse Reife erlangt haben, samtig, charaktervoll und mit viel Frische den Gaumen füllen und großen Trinkspaß bereiten. Von Mönchhof geht es weiter nach Gols. Es ist der letzte warme Tag im Herbst. Entlang dem Weg wird eifrig geerntet. Zumeist Rotweintrauben, aber hier und dort hängen auch noch Weißweintrauben an den Rebstöcken. Ruhe ist zu spüren. Noch erstrahlt die Natur in satten Herbstfarben und die klare Luft ist voller Leben.

Beim Pinot-noir-Liebhaber

In Gols, ungefähr 400 m vom Weg entfernt, liegt das Weingut JURIS. Axel Stiegelmar führt mich durch den Betrieb. Dabei erfahre ich, dass „Juris“ der Spitzname seines Großvaters war. Axel ist ein passionierter Liebhaber von Pinot noir. Sechs Rotweine aus seinem Sortiment keltert er aus dieser Rebsorte. Es sind charaktervolle Weine mit Eleganz und viel Terroir. Auf eine sehr schöne Art verspielt und fröhlich, stets mit guter Präsenz. Auch die anderen Weine haben hohes Niveau und machen großen Trinkspaß. Besonders beeindruckt bin ich vom Traminer Eiswein 2012. In diesem Süßwein zeigt sich der Traminer absolut präzise und kristallklar. Als Draufgabe öffnet der Winzer eine Trockenbeerenauslese vom Pinot noir, Jahrgang 2002. Dieser präsentiert sich unglaublich fein, komplex und mit lebendiger Intensität. Unbeschreiblich! Mir fehlen die Worte. Leider ist er ausverkauft. Großen Dank, Axel,dass ich diesen Wein erleben durfte!

Am Ortsende von Gols, direkt am Jakobsweg, liegt das Weingut von Gerhard und Brigitte Pittnauer mitten in den Weingärten. Im Verkostungsraum ist Musik zu hören. Als ich genauer hinhöre, erkenne ich, dass katalanisch gesungen wird. Hier unvermutet meine Muttersprache zu hören, macht mich kribbelig. Gerhard Pittnauer erzählt mir, dass es die katalanische Musikgruppe „Manel“ sei. Er höre sie die ganze Zeit und könne nicht genug davon kriegen. Nach unserem Gespräch über Musik erzählt er vom Weingut. „Wir haben uns ganz bewusst diesen Platz für den Neubau unserer Kellerei ausgesucht. Es ist ein besonderer Platz, einer, wo man Kraft spüren und schöpfen kann.“ Die Weine sind verträumt, aber auch klar strukturiert. Sie spiegeln die Landschaft wider, die ich vom Verkostungsraum aus genieße - den weiten Blick über die Weingärten bis auf den See. Die Weine besitzen viel Lebendigkeit und Seele, wie die Lieder von Manel, die die Schönheit des Inneren und Äußeren besingen. „Hier kann ich Wein machen mitten in der Natur, nachhaltig, bioorganisch im Einklang mit der Umgebung“, so der Winzer. Am Schluss erfahre ich, dass mein Chefredakteur Alexander Magrutsch einer der Ersten war, der sich für seine Weine interessiert hat. „Er arbeitete damals für die Zeitschrift ‚Vinaria‘ und hat den ersten Artikel über unser Weingut geschrieben“, sagt Gerhard Pittnauer. Es würde ihn reizen, mit mir den Jakobsweg im Frühjahr zu machen. Mich würde es freuen! Entlang dem Weg ergeben sich immer wieder schöne Ausblicke auf den Neusiedlersee. Der Schilfgürtel rückt näher, aber der Pilgerweg bleibt auf dem Wagram.
Idyllische Plätze links und rechts des Weges verführen zum Verweilen, um ein Picknick mit gutem Wein zu machen. Um zum Bioweingut Der Fuhrmann zu kommen, muss man sich bei Weiden am See 300 m vom Weg entfernen. Frau Fuhrmann begrüßt mich und führt mich in das kuschelige Verkostungsstübchen im Keller. Beim Hinuntergehen sagt sie: „Wir hab‘n schon immer danach g‘schaut, dass alles mit allem passt. Die Natur ist das Wichtigste und wir schau‘n, dass sie in den Wein ainekommt.“ Im Gespräch erfahre ich, dass Sohn Hannes und ihr Mann Erwin Fuhrmann für die Weine zuständig sind. Seit 2012 ist der Betrieb biozertifiziert. Es sind ehrliche Weine mit gutem Biss, wobei die Rotweine besonders den Boden widerspiegeln und vor Lebendigkeit strotzen. Potenzial ist viel da und ich freue mich schon jetzt auf die nächsten Jahrgänge.

Weine mit deutlicher Handschrift

Am Kalvarienberg kurz vor Neusiedl hat man die schönste Aussicht auf den See, das Leithagebirge und bei klarem Wetter auf den Schneeberg. Hier ist ein Platz der Besinnung und des Gedenkens, ein emblematischer Ort, der Schönes und Schreckliches gleichermaßen im Laufe der Geschichte erlebt hat. Das Weingut Paul Rittsteuer liegt direkt am Weg im Zentrum von Neusiedl. Die Familie macht seit 1642 Wein. Viele der Vorfahren waren „Bergmeister“. Diese waren für den Lesebeginn, den Arbeitsablauf im Weingarten und für andere Belange des Weinbaus verantwortlich. 1967 übernahm Paul Rittsteuer den Betrieb. Von 1982 bis 1987 war er Abgeordneter im burgenländischen Landtag. Danach wurde er Mitglied der burgenländischen Landesregierung und Beauftragter für Landwirtschaft und Naturschutz bis 2005. Er war federführend beteiligt bei der Gründung der österreichischen Weinakademie und so einer der Gründerväter dieser Institution. Nach der politischen Arbeit zog es ihn zurück zum Ursprung– zum Wein. Winzer Rittsteuer ist ein energischer Mensch, mit starker Persönlichkeit und ein Grübler und so sind seine Weine- voller Persönlichkeit, ruppig, wenn es sein muss und tiefgründig. Sie spiegeln die Erde, auf der sie wachsen, wider, sind warm und herzlich, trotzdem frisch. Alle Weine haben hohes Niveau und das für absolut vernünftige Preise. Selten, dass Weine so eine deutliche Handschrift des Winzers haben. Es war mir eine große Freude, den Menschen, den Wein und den Moment mit ihnen zu erleben.

Der Weg verlässt Neusiedl. Er geht wieder hinaufauf den Wagram. Durch Wald und Feld gelangt man nach Bruck an der Leitha und zum Weinbaugebiet Carnuntum. Eine weitläufige, sanft wellige Landschaft breitet sich aus. Große Felder wetteifern mit einzelnen Bäumen, die im Morgendunst eingehüllt sind. Der Weg führt mitten durch Göttlesbrunn.

Die Perfektionisten

Die Kellerei MARKO Lukas Markowitsch liegt am Weg. Der Großvater stieg 1955 auf Weinbau um. In den 1970er Jahren werden die ersten Qualitätsweine gekeltert. Lukas übernahm 1995 die Kellerei. 2002 stieg Johann, sein Bruder, mit in den Betrieb ein. Johann Markowitsch zeigt mir die Weingärten. 13 ha Rebfläche sind mit 14 verschiedenen Rebsorten bestockt und penibel gepflegt. Die Philosophie der Winzer besagt Folgendes: „Weine entstehen im Weinberg. Die Qualität der Trauben ist tonangebend für die Qualität des Weines. Wir haben eine Weinschiene für den Alltag und eine für besondere Momente, aber jeder Wein bekommt dieselbe Aufmerksamkeit von uns.“ Es sind charmante Weine mit Tiefgang und dem nötigen Tanningerüst bei den Roten und einem frischen Säure-Frucht-Spiel bei den Weißen. Für Johann Markowitsch ist jedes Weinjahr spannend und eine neue Herausforderung. Am Schluss öffnet er aus der Raritätenecke den Zweigelt 1983 Ried Haidacker und den Zweigelt 2009 Hagelsberg. Beide Weine sind beeindruckend und vom Ersteren nehme ich die offene Flasche mit auf den Weg.

Etwas weiter liegt die Weingärtnerei Artner. Seit den 1980er Jahren widmet sich Hans Artner dem Weinbau. Von einst 0,5 ha ist der Betrieb auf 13 ha angewachsen. Seit 1994 wird das Weingut biologisch-organisch bewirtschaftet. „Weißt du Pépe, Bio kann nur funktionieren, wenn der Winzer 200 %ig dahintersteht, sonst geht‘s daneben. Bio heißt vorausdenken, weil man danach nicht viel ändern oder retten kann.“ Die Weine sind eigenwillig mit viel Tiefgang, von hoher Qualität und haben eine ordentliche Portion Tannin. Die Weißen bestechen durch eine erfrischende Pikanz. Es sind feste, bodenständige Weine mit einem verspielten Kern. Als ich Hans frage, was ihn am meisten beim Weinmachen berührt, antwortet er: „Die Landschaft. Draußen bei den Rieden zu stehen. Ein Glas Wein mit Freunden zu trinken und zu wissen, man hat‘s gut gemacht.“ Nach dem Essen werden die schwefelfreien Rotweine der Rebsorten Cabernet Sauvignon und Rössler aus dem Fass verkostet. Spannend! Beim Abschied schenkt er mir eine Bio-Hirschsalami und meint: „Wenn du den Weg im Frühjahr gehst, gehe ich ein Stück mit.“

Nach Göttlesbrunn führt der Weg durch Weingärten in den Wald. Kurz vor Maria Ellend lichtet sich dieser. Das Ziel ist erreicht. Als ich in Maria Ellend ankomme, frage ich den ersten Passanten nach dem Jakobsweg. Ich stehe direkt darauf, meint er. Es stellt sich heraus, dass er den spanischen Jakobsweg gegangen ist und wir kommen ins Reden …

wein.pur.Tipp

Essen & Schlafen

Landgasthaus & Vinothek Sittinger
7132 Frauenkirchen
Hauptstraße 39
Tel. 02172/2307
www.landgasthaus-sittinger.at

Hotel Restaurant Knappenstöckl
7131 Halbturn
Im Schloss Halbturn
Tel. 02172/82390
www.restaurant-wieser.at

L‘altro vino
7123 Mönchhof
Sandhöhe 18
Tel. 0664/4511231
www.laltrovino.at

Fischerei-Restaurant Varga
7122 Gols
Untere Hauptstraße 123
Tel. 02173/2231
www.varga.co.at

Landgasthof Birkenhof
7122 Gols
Birkenplatz 1
Tel. 02173/2346
www.birkenhofgols.at

Zur blauen Gans
7121 Weiden am See, Seepark
www.zurblauengans.at

Landgasthof am Nyikospark
7100 Neusiedl am See
Untere Hauptstraße 59
Tel. 02167/40222
www.nyikospark.at

Gästezimmer Edelmann
2464 Göttlesbrunn
Rosenbergstraße 31
Tel. 02162/8455

Bittermann Vinarium
2464 Göttlesbrunn
Abt-Bruno-Heinrich-Platz 1
Tel. 02162/81155
www.bittermann-vinarium.at

DERjungWIRT im Winzerhof Paul
2464 Göttlesbrunn
Landstraße 36
Tel. 02162/8943
www.derjungwirt.at

Landgasthof Haslauerhof
2402 Haslau-Maria Ellend
Hauptstraße 17
Tel. 02232/80221