Holz & Handwerkskunst

Ein Artikel von Walter Eckensperger | 20.11.2015 - 22:49
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© Christian Kreil

Zuerst müssen wir aber auf den Holzplatz!“ So beginnt eine Betriebsbesichtigung bei der Fassbinderei von Franz Stockinger in Waidhofen an der Ybbs. Das Eichenholz, das hier lagert, ist die Essenz seiner Fässer, hier wird eines der Elemente grundgelegt, die der Genießer später in feinen Barriqueweinen genießen wird. Bis zu zehn Jahre, je nach Dicke, lagern hier vorgeschnittene Eichenbretter, aus denen später die Dauben für die Fässer werden. „Die dünneren Bretter für Barriquefässer liegen zweieinhalb bis drei Jahre, die stärkeren Bretter für größere Lagerfässer bis zu fünf Jahre, es gibt aber auch Bestände, die zehn Jahre lagern“, erklärt Franz Stockinger. „Wir lassen das Holz länger als manche Kollegen liegen, das macht es später im Geschmack weicher, führt beim Wein zu einer dezenteren Stilistik, das ist der Charakter, den wir unseren Fässern geben wollen – wir lassen uns einfach etwas mehr Zeit.“

Das Holz ist luftig gestapelt, Wind und Wetter ausgesetzt. Schnee und Regen laugen die Eichenbretter aus, Luft und Wärme machen das Holz weicher, Bitterstoffe werden ausgeschwemmt, der Feuchtigkeitsgrad wird reduziert. Künstliche Trocknung ist kein Thema für Franz Stockinger, er legt sogar entschieden Wert darauf, dass Lagerung und Trocknung in seinem Betrieb stattfinden. „Das machen wir selber, das Klima hier ist ideal für die Lagerung von Eichenholz – viel Regen, Schnee, saubere Luft, eher hohe Luftfeuchtigkeit.“ Und Franz Stockinger erzählt auch von Versuchen, innerhalb derer Holz vom selben Baum teils in Kalifornien, teils in Frankreich gelagert, dann gleich verarbeitet und mit dem gleichen Wein befüllt wurde – der dann ganz unterschiedlich schmeckte. Dauer und Form der Lagerung sind mithin entscheidende Faktoren für die Qualität.

Komplexe Kunstwerke

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Dauer und Art der Lagerung des Holzes sind entscheidend für die Qualität der Fässer. © Christian Kreil

Man sieht also, einfach ist das mit den Fässern nicht. Genau wie der edle Inhalt, der in ihnen reift, sind sie sehr diffizile Gebilde, geboren aus komplexen Überlegungen, geprägt von einer Vielfalt von Faktoren. Ort und Dauer der Lagerung des Holzes spielen ebenso eine Rolle wie Herkunft und Wachstumsdauer der Eichen selbst. „Eichen aus der Pfalz kreieren eine Geschmacksnuance nach Kokos, französische Eichen eher einen Vanille-Ton.“ Franz Stockinger wertet das im Gespräch nicht, er betont aber die Unterschiede. Sie zu kennen und zu beachten ist wichtig für die Weinbereitung, entsprechend suchen die Winzer „ihre“ Fassbinder aus, definieren die Fässer, die zur eigenen Weinstilistik am besten passen.

Die Firma Stockinger verarbeitet vielfach transsilvanische Eichen aus Rumänien und heimische Ybbstaler Eichen. „Die meisten unserer Fässer sind Cuvées.“ Und dann gibt es auch noch Kunden, die ihr eigenes Holz, eben aus eigenen Wäldern oder aus der eigenen Region, in Waidhofen lagern und reifen lassen, damit dann nach Jahren daraus Fässer entstehen, deren Holz aus dem gleichen natürlichen Umfeld kommt wie der Wein. Mindestens so wichtig wie die Herkunft des Holzes ist sein Wachstum. „Langsamer Holzaufbau ist wichtig“, wenn der Baum langsam wächst, entsteht eine feinere Holzstruktur, eine feinere Maserung, damit ein intensiverer Sauerstoffaustausch im Fass und so ein feineres Aroma.

Im Grunde ist es wie mit edlen Weinstöcken. Auch sie gedeihen oft auf kargen Böden besser, erbringen intensivere Trauben aus schwierigem Untergrund. „Wenn sich der Baum plagen muss, wird das Holz besser.“ Die Stilistik seiner Fässer beschreibt Franz Stockinger mit „zurückhaltend, neutral, sie aromatisieren nicht, sondern bringen Tiefe, unterstreichen die Frucht“. Insofern passen die Fässer aus Waidhofen eher zu frucht und terroirbetonenden, feingliedrigen Weinen, bei deren Vinifizierung die Holz-Töne nicht in den Vordergrund treten, sondern die Komponenten des Weins unterstreichen, dezent stützen und hervorheben.

Kleiner Betrieb, internationale Reputation

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Fassbinderei - traditionelles Handwerk mit enormem Know-how. © Christian Kreil

Immer ist es dabei der Faktor Zeit, der für Franz Stockinger eine Rolle spielt – langsames Reifen, lange Lagerung, langfristiges Planen, Gespräche mit Winzern, das Integrieren vieler Überlegungen und Faktoren in das Werkstück. Wahrscheinlich ist es das, was einen Meister ausmacht, wahrscheinlich ist darin auch der internationale Erfolg der Fassbinderei Stockinger begründet. „Global gesehen sind wir ein Minibetrieb.“ 22 Mitarbeiter stellen im Jahr etwa 1.500 Barriques und 400 Lagerfässer unterschiedlichster Größe her; das größte derzeit in Arbeit befindliche fasst 15.000 Liter. Geliefert wird in alle Welt, Top-Betriebe aus Frankreich, Deutschland, Italien, Südamerika und natürlich Österreich gehören zu den Kunden.

Die Wurzeln des Betriebs reichen weit zurück, seit 1678 gab es in Waidhofen die Fassbinderei Möst, ihr Standort gab der Gasse ihren Namen, Bindergasse, das Büro der Firma Stockinger ist immer noch dort, der Betrieb selbst liegt heute am Rand der Stadt. Stockinger heißt das Unternehmen nun in der zweiten Generation, Franz Stockingers Vater übernahm den Betrieb. Eine nicht ganz einfache Aufgabe, galten doch bis in die 1970er Jahre Holzfässer als unmodern und unrentabel, die Winzer setzten auf Kunststofftanks. „Wir haben Zäune und Balkone hergestellt, Holzsilos, Fässer machten maximal 5 % des Umsatzes aus. Aber wir sind jedenfalls immer bei der Holzverarbeitung geblieben.“ Die Beharrlichkeit zahlte sich aus, ab 1980 begann die Renaissance der Barriques, bald auch die der großen Gebinde als Lagerfässer. Heute erzeugt man wieder zu 100 % Fässer, was Franz Stockinger sichtlich mit Freude und Genugtuung erfüllt – „wenn du einmal Fässer gemacht hast …“.

Traditionelles Handwerk

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© Christian Kreil

Wir fahren zurück zum Betriebsgebäude, um gewissermaßen dem Weg des Holzes zu folgen. Der erste Eindruck: viel Handarbeit trotz aller Mechanisierung, Genauigkeit, Arbeit am natürlichen Rohstoff, manuelles Geschick. Wir bewegen uns auf dem Boden traditionellen Handwerks mit Wurzeln tief in der Kulturgeschichte.

Wagen wir einen kurzen historischen Blick. Die Kelten gelten als Erfinder des Fasses im engeren Sinn, also eines Gefäßes, zusammengesetzt aus Brettern, nicht aus einem Stück geschnitzt. Im Mittelmeerraum verwendete man oft Tierhäute oder Tongefäße. Julius Cäsar erwähnt im „Gallischen Krieg“ Fässer, es gab sie aber wohl schon Jahrhunderte früher. Die Römer haben sie dann übernommen – sie waren ja auch wirklich praktisch, gut zu lagern, leicht zu transportieren, man konnte sie stapeln, rollen, das Verhältnis von Außenmaß, Gewicht und Volumen war gut, sie waren variabel in der Größe und man konnte alles Mögliche einfüllen von Salz bis zu Erdöl (später, in den USA). Und Wein natürlich auch. Die Zusammenhänge zwischen der Qualität des Weines und seiner Lagerung im Barrique gehen, so erzählt es die Geschichte (oder sind es Geschichten?), auf eine Reihe von Beobachtungen zurück: So soll ein gewisser Louis-Gaspard Estournel aus Saint-Estèphe Anfang des 19. Jahrhunderts erkannt haben, dass einige nicht verkaufte Wein-Partien nach dem Rücktransport erheblich besser geworden waren. Er markierte und verkaufte sie, als sich ihre Qualität herumsprach, zubesseren Preisen. Endlich beschloss er, alle seine Weine vor dem Verkauf in Holzfässern zu lagern. Das Wort „Barrique“ heißt übrigens einfach „Fass“, erst später wurde es gewissermaßen zu einem normierten Gebinde (mit jeder Menge Ausnahmen). Namensgebend wurde es für die „Barrikade“ – während der Juli- Revolution 1830 dienten mit Erde gefüllte Fässer als Straßensperren; ein vielfältiges Produkt eben.

Das Prinzip „Langsamkeit“

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Der kritische Blick des Meisters - Franz Stockinger in seinem Element. © Christian Kreil

Zurück zu Franz Stockingers Fassbinderei. Die lange gelagerten und nun gereiften Dauben werden zugeschnitten, in Ringen zusammengesetzt, dann außen befeuchtet und innen erhitzt, um sie biegsam zu machen. Das dauert etwa eine halbe Stunde. Dann werden die Dauben mit immer enger gezogenen Metallringen, den Fassreifen, und mit präzisen Hammerschlägen in die richtige Form gebracht – „kein Nagel, kein Dübel, kein Leim, das Fass hält nur durch den Druck des Reifens“.

Von entscheidender Bedeutung für den Geschmack, den das Fass späterhin an den Wein abgeben wird, ist das Toasting, das Ausflämmen der Fässer. „Hier kann man noch alles versauen“, erklärt Franz Stockinger trocken. „Achtzig Prozent der Aromen, die man später im Wein schmeckt, Nelke, Vanille, Kokos, dunkle Schokolade, Lakritze, entstehen aufgrund der Toastung“, lese ich bei meinen Recherchen. Beim Toasting brennt im Fass ein vorsichtig kontrolliertes Feuer. Langsamkeit ist Franz Stockinger hier wichtig, „etwa sechs Stunden, es ginge auch schneller, aber wir machen es halt behutsam.“ Verfeuert werden Eichenspäne, Abschnitte aus der Daubenproduktion – „Gasfeuer mag ich nicht, sie haben einen eigenen Geschmack, bei uns soll alles aus einem Guss, harmonisch sein.“ Die fertigen Fässer werden ausgehobelt, geglättet, wodurch sie später leichter zu reinigen sind. Dann kommen noch die Böden. Bei den großen Fässern verwendet man hier ein spezielles Schilf, um die Fugen zwischen den Brettern abzudichten, bei den Barriques eine Nut-Feder-Verbindung. „Und dann bauen wir noch die Armaturen ein, die der Kunde will.“ Zwei bis drei Prozent der Weltweinproduktion werden in neuen Eichenfässern ausgebaut. Das ist alles sehr gediegenes Handwerk, aufwändig und teuer. Etwa 600 Euro kostet ein Fass, irgendwie muss sich das auch auf den Wein auswirken.

Billige Alternativen sieht Franz Stockinger gelassen – Stichwort „Eichenchips“: „Das muss es auch geben, das ist industrieller Wein, Massenware.“ Daneben aber gibt es immer die individuellen Weine, die in individuellen, sorgfältigst bearbeiteten, ausgetüftelten Fässern reifen. Es gibt Menschen wie Franz Stockinger, die stolz auf ihre Produkte sind, die experimentieren, nach dem Optimum suchen. Denn eine Suche ist es immer, ganz genau weiß man nicht, wie ein Fass einen Wein beeinflusst, die chemischen Prozesse lassen sich nur in Ansätzen beschreiben. Das Fass bildet ein Milieu, das vorteilhaft für eine langsame Oxidierung des Weines ist, das Holz gibt Aromen ab, die sich mit denen des Weins verbinden und sie unterstützen. Aber wie genau das geschieht und welches Holz genau welchem Wein guttut, lässt sich nicht wirklich fassen, zu vielfältig und variabel sind die beteiligten Komponenten. Ich lese ein Interview mit Francois Witasse von der Tonnellerie Demptos, einer der großen Fassbindereien im Bordelais mit einer eigenen Forschungsabteilung und Kooperationen mit der Universität Bordeaux: „Je mehr wir forschen, desto weniger wissen wir. Wir wollen Sicherheiten, aber wir bekommen sie nicht.“ Franz Stockinger sagt es nicht so, aber der Eindruck ist, dass es auch bei ihm immer ums Hören geht, ums Zuhören, um den Kontakt mit „seinen“ Winzern, wie er manchmal sagt, ums Probieren, ums Verkosten. Aus diesen Kontakten entstehen dann in letzter Konsequenz Weine. Und da ist es jetzt fast unnötig zu sagen, dass er auch Weinenthusiast ist und dass eine kleine Verkostung nach der Betriebsbesichtigung auch ganz schön spannend wird, aber das führt jetzt zu weit …

Fassbinderei Stockinger
Grünhofstraße 5 – 7
3340 Waidhofen / Ybbs
Tel. 07442/54170
www.fass-stockinger.at