Weiß- und Grauburgunder - Eine Entdeckungsreise

Ein Artikel von Alexander Lupersböck | 25.10.2016 - 13:55
14773197948659.jpg

Aus Steillagen von Radebeul in Sachsen kommt einer der besten Weine unserer Verkostung. © DWI

Der Graue Burgunder ist eine Mutation des Blauen Burgunders und beinah ein Zwischending von Weiß- und Rotwein. Das ahnt man bei jenen Weinen, die Bronze- und Rot-Töne zeigen, was durch längeren Maischekontakt vor der Gärung zustande kommt. Die Sorte kam im 14. Jahrhundert mit Zisterziensermönchen aus dem Burgund nach Österreich bzw. West ungarn, wo sie lange Zeit sehr beliebt und unter dem Namen „Grauer Mönch“ bekannt war. Mittlerweile ist Grauburgunder in Österreich – ganz im Gegensatz zu Deutschland – ein Nischenprodukt mit rund 220 ha Rebfläche, vor allem in der Steiermark und im nördlichen Burgenland. In Deutschland ist er mit 4.400 ha Rebfläche eine der bedeutendsten Weißweinsorten überhaupt.

Opfer des eigenen Erfolges

14773198356756.jpg

© Kurz

Während die Sorte als Pinot grigio aus Norditalien kommerzielle Triumphe feierte (eine Zeit lang stand dieser Name fast als Synonym für italienischen Weißwein), ist die Nachfrage in Österreich recht überschaubar. Dabei können die österreichischen Grauburgunder meist viel mehr als die italienischen Verwandten, die in der extrem neutralen und nichtssagenden Machart dem Ruf der Sorte eher geschadet haben.

In Deutschland schätzt man die Würzigkeit und Vielfältigkeit der Sorte mehr, man muss im Weingarten und Keller aber aufpassen, die richtige Balance zu finden. Markus Hammer vom Weingut Hammer in Rust: „Der Lesezeitpunkt ist schwer zu treffen, weil die Säure schnell abfällt, wenn die physiologische Reife raufgeht. Er ist botrytisanfällig und reagiert auf Regen während der Endreife oft mit Fäulnis, weil er so engbeerig ist.“

Grauburgunder in Vollreife hat meistens auch kräftigen Alkohol, daher sollten die Winzer als Lese-Parameter nicht den Zuckergehalt, sondern den pH-Wert heranziehen. Das hängt natürlich alles stark vom Jahrgang und von der Region ab, aber die Sorte wird zunehmend für kühlere Anbaugebiete interessant. Markus Hammer: „In der Wärme wird sie oft zu alkoholisch, aber in kühleren Gegenden kann man auch leichtere und reife Grauburgunder machen. Kalkböden sind aufjeden Fall ein Vorteil.“ Bestätigt werden diese Aussagen durch die beiden Siegerweine: Sowohl beim Weingut Tropper aus Straden in der Südsteiermark als auch beim Weingut Schmitt-Weber im Saarland gibt es Kalk im Boden und das Klima ist gemäßigt warm.

Der Erbfolger

147732021245.jpg

Bernd Kastler und Enrico Friedland beleben alte Steillagen und sächsische Weinkultur wieder. © Kastler & Friedland

Weißburgunder oder Pinot blanc ist eine Mutation des Grauburgunders und somit quasi der hellhäutige Enkel des Blauburgunders. Von diesem hat er seine Dünnschaligkeit und die Anfälligkeit für Mehltau und Fäulnis geerbt. Dafür ist er, wie Markus Hammer sagt, „im Anbau nicht extrem fordernd, wenn er auf dem richtigen Boden steht. Generell wachsen alle Burgunder-Sorten weniger in die Höhe, mehr in die Breite. Mit guter Traubenreife ist auch der Lesezeitpunkt nicht so wichtig. Wo es geht, machen wir Maischestandzeit, das gibt ihm mehr Struktur. Mit Lagerung auf der Hefe ist er auch ein guter Sektgrundwein. Ich mag jedenfalls die Cremigkeit, die er mit der Reife entwickelt“.

In Deutschland hat die Rebfläche in wenigen Jahren auf rund 3.700 ha deutlich zugelegt, in Österreich sind sowohl die Anbaufläche mit rund 2.000 ha als auch die Nachfrage stabil. Struktur und Langlebigkeit sind die Stärken dieser Sorte, nicht unbedingt Duftigkeit und Fruchtigkeit. Wer das beherzigt, kann ganz tolle Weine erschaffen. Aufgefallen sind uns hier besonders die Winzer am Leithaberg im Burgenland. „Man hat das Gefühl, dort bemühen sich die Winzer sehr um die Sorte“, lautete ein spontanes Resümee – was vor allem, aber nicht nur das Weingut Tinhof unter Beweis gestellt hat. In der Steiermark stach der Steinbach von Lackner Tinnacher besonders durch Eleganz und Feinheit heraus.

In Deutschland schafft der Weiße Burgunder I von Von Winning aus der Pfalz die perfekte Verbindung aus feiner Struktur und attraktivem Holzeinsatz. Das Weingut Schmitt-Weber von der Obermosel zeigt sich als absoluter Burgunder-Spezialist, während das erst 2013 gegründete, 2,5 ha große Boutique-Weingut von Dr. Bernd Kastler und Enrico Friedland in Sachsen bisher wohl nur Insidern ein Begriff war. Mit der Revitalisierung der Steillagen bei Radebeul im Elbtal und dem Weißburgunder vom Radebeuler Johannisberg ist ihnen ein großer Wurf gelungen – und uns eine schöne Entdeckung.

Die besten Winzer & Weine

Weingut Erwin Tinhof, Trausdorf

14773198398874.jpg

Erwin Tinhof © Tinhof

Leithaberg 2014 Leithaberg DAC Weißburgunder
Struktur, Langlebigkeit und Eleganz im Wein waren Erwin Tinhof immer schon ein großes Anliegen. Seine eigenen Erfahrungen in Frankreich und seine Liebe zum Burgund hat er nie verleugnet. Daher fokussiert er sich auch auf die Sorten, die am besten zu seinen Lagen am Leithaberg passen und hier eine lange Geschichte haben: Neuburger, Weißburgunder, Blaufränkisch und St. Laurent. Der Leithaberg DAC weiß ist 2014 erstmals keine Cuvée aus Neuburger und Weißburgunder, weil 2014 der Ertrag beim Neuburger vernachlässigbar klein war. Der Weißburgunder kann aber auch als Solist bestehen. Er stammt von den Eisenstädter Rieden Feiersteig und Neuwiese mit kalkreicher, sandiger bis steiniger Braunerde. Die Rebstöcke sind zwischen 23 bis 40 Jahre alt.

Lukas Plöckinger, Erwins Neffe und für den Keller verantwortlich, sagt zur Sorte: „Weißburgunder reagiert sehr stark auf den Boden: Je fetter, desto wuchtiger wird er. Er ist ein guter ‚Boden-Botschafter‘, lebt von der Säure und verträgt einen Touch Holz.“ Der Leithaberg DAC wurde nach kurzer Maischestandzeit spontan in großen gebrauchten Holzfässern gelagert. Der ebenfalls hoch bewertete Weißburgunder Golden Erd‘ 2012 ist eigentlich etwas untypisch für den Stil des Weingutes: „Da waren die Holzfässer neu, daher haben sie den Wein geprägt. Also haben wir gleich beschlossen, einen Wein zu machen, der nach 10 bis 15 Jahren am besten sein sollte. Er lag lange auf der Hefe und ist durchaus kraftvoll. Aber Säure ist ja genügend vorhanden.“ Und, ergänzt Lukas Plöckinger: „Die Langlebigkeit des Weißburgunders, wenn man sauberes Lesematerial mit guter Säure liest, ist toll: 20 bis 25 Jahre. Und die biologische Bewirtschaftung der Lagen hilft uns, deren Charakteristik zu transportieren.“

Tropper Weine, Straden

14773198443621.jpg

© Tropper

2013 Grauburgunder Straden Buchberg Vulkanland Steiermark
Der Quereinsteiger Eduard Tropper ist durchaus und gerne ein Spezialist für Grauburgunder. Das pannonische Klima und die kalkigen Böden im südoststeirischen Straden bieten beste Voraussetzungen, daher besitzt es die größte Anbaufläche dieser Sorte in der Steiermark. 2005 hat der ehemalige Rinderzüchter seinen ersten Wein gemacht, seit 2008 lebt er ausschließlich von Weinbau.

Noch ist das Weingut sehr klein, „aber wir haben gute, steile Flächen und machen viel in Handarbeit. 2013 war ein schöner, ausgeglichener Jahrgang und nicht von Hagel beeinträchtigt wie 2012 und 2014“, sagt Edi Tropper. Der Grauburgunder wird in drei Durchgängen gelesen: eine Vorlese und eine reifere Lese für den Klassik, danach die Trauben für den Buchberg. Dieser wird für ein Jahr in 300-Liter-Holzfässern ausgebaut, ein Drittel davon neu. Die Vollhefe wird jede Woche aufgerührt, ein Säureabbau nicht angestrebt. Dann darf der Wein noch für ein Jahr auf der Flasche reifen. Der Respekt für die Sorte zahlt sich aus!

Weingut von Winning, Deidesheim, Pfalz

14773198461566.jpg

© Von Winning

2012 Von Winning Weißer Burgunder I
Von Winning und sein Betriebsleiter Stefan Attmann polarisieren. Den einen sind die Weine zu gefällig, den anderen zu experimentell. Ob der Stil nun neu oder eigentlich traditionell ist, darüber kann man streiten. Jedenfalls werden die Weine in Holzfässern spontan und ohne Kühlung vergoren, und „vor 50 Jahren hatte man ja auch keine Stahltanks“, wie Attmann einmal sagte. Der Weiße Burgunder I wurde nach einem Jahr im großen Holzfass ohne Filtration gefüllt. Die Trauben dafür stammen von der Lage Ruppertsberg mit Rot- und Buntsandstein. Dort fällt die dichte Bepflanzung von 9.500 Stöcken pro Hektar auf. Stefan Attmann hat sich zum Ziel gesetzt, den burgundischen Ausdruck der Pfälzer Lagen in die Weine zu übersetzen. Das ist ihm mit diesem Weißburgunder hervorragend gelungen.

Weingut Schmitt-Weber, Perl/Saarland, Mosel

14773198421661.jpg

Thomas Schmitt © Schmitt

2014 Grauer Burgunder „1725“ Spätlese
„Ich bin ein passionierter Winzer und Autodidakt. Mein Vater, der immer noch tatkräftig mithilft, hat aus dem Mischbetrieb ein reines Weingut gemacht. Ab 2000 hatte ich die volle Verantwortung, ich lerne jedes Jahr dazu und versuche, mich zu optimieren“, erzählt Thomas Schmitt. Das Weingut liegt im Dreiländereck Deutschland – Frankreich – Luxemburg an der oberen Mosel, einer Region, die lange nur für Massenweine aus Elbling bekannt war. Aber: Die Böden machen das Gebiet prädestiniert für Burgunder-Sorten. Es entspricht geologisch dem Pariser Becken, also der Champagne. Der Schiefer und Taunus-Quarzit wurden vor ca. 350 Millionen Jahren von Muschelkalk und Keuper überlagert.

Thomas Schmitt weiter: „Irgendwann hat es mich gereizt, den ganz großen Wein zu machen, ich habe wieder Holzfässer gekauft und 2010 die Serie ‚1725‘ eingeführt. Seit diesem Jahr ist unsere Familie hier dokumentiert.“ Der Grauburgunder ‚1725‘ lagerte für ein Jahr in einem großen Holzfass von Seguin Moreau auf der Hefe und machte den malolaktischen Säureabbau. Der ausgezeichnete Weißburgunder vom St. Quirinusberg lag für sechs Monate im großen Holzfass ohne Säureabbau. Voraussetzung für gute Weine ist aber penible Handarbeit im Weinberg. „Jede einzelne Traube wird optimal gepflegt, ausgerichtet, beschattet. Wir merken, dass es bei uns wärmer wird und für unsere Randlage ist das zumindest im Weinbau kein Nachteil“, so Thomas Schmitt, dessen Passion nicht nur in seinen Weinen zum Ausdruck kommt.

Die Verkostung

Ausgeschrieben waren trockene Weißund Grauburgunder. Es wurden 197 Weine eingereicht: 63 Grauburgunder, 122 Weißburgunder und 12 Cuvées aus diesen Sorten; 73 davon aus Deutschland und 124 aus Österreich. 193 Weine wurden von den wein.pur-Redakteuren Daniela Dejnega und Alexander Lupersböck sowie den Weinakademikern Ursula Ludwig und José Perez-Ubeda bewertet. Im Finale unterstützten uns als Gäste Markus Hammer vom Weingut Hammer in Rust und Lukas Plöckinger vom Weingut Tinhof in Trausdorf.