Best of Sekt 2020: Schäumendes Österreich

Ein Artikel von Elisabeth Eder | 22.10.2020 - 06:00

Der Trend zu Schaumwein & Co. ist ungebremst. Durch die Einführung der österreichischen Sektpyramide im Jahr 2015 kam viel frischer Wind in die Branche, Konsumenten fragen vermehrt nach heimischen Schaumweinen, Sektproduzenten und Winzer stellen sich den neuen Herausforderungen. Klingt eigentlich nach einer Win-win-Situation!

Fast alles, das schäumt und prickelt, durfte bei der heurigen GENUSS.Schaumweintrophy mitmachen, die Eintrittskarte zur Teilnahme an der Neuauflage unserer Trophy war natürliche Kohlensäure im Wein. Die Proben waren wild, verrückt, crazy, gefährlich explosiv, klassisch, überraschend, konsumentenfreundlich, großartig oder außergewöhnlich.

Gemeinsamkeiten

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© Weingut Schloss Gobelsburg

Weine, die prickeln, schäumen oder sprudeln, haben eines gemeinsam: Kohlensäure. Woher kommt die Kohlensäure? Sie kann auf physikalischem, unnatürlichem Weg in den Wein gelangen, indem dieser durch Druck mit Kohlensäure versetzt wird. Genauso wie Sie zu Hause aus Leitungswasser sprudelndes Wasser machen. Diese schäumenden Weine werden als Frizzante bezeichnet und waren bei der Trophy nicht zugelassen. Natürliche Kohlensäure hingegen bildet sich durch Vergärung, wo Zucker im Most oder im Wein durch Hefe umgewandelt wird. Neben Kohlensäure entstehen auch noch Alkohol und Wärme. Kann diese Gärungskohlensäure nicht entweichen, so verbleibt sie im resultierenden Schaumwein. Der Winzer muss sich nun folgende Fragen stellen: Welche Art von schäumendem Wein soll entstehen: Pet Nat oder Sekt? Und welche Qualitätsstufe soll mein Schaumwein erreichen?

What the hell is Pet Nat?

Pet Nat ist nichts Neues, sondern einfach wiederentdeckt, ein Revival. Sie kennen sicher den berühmten Satz des französischen Mönchs Dom Pérignon: „Ich trinke Sterne.“ Mit den Sternen ist die Kohlensäure gemeint. Es war ein Zufall, dass Weine plötzlich Kohlensäure enthielten. Das Betreten der Weinkeller in der damaligen Zeit war lebensgefährlich, denn etwa 98 von 100 Weinflaschen mit Kohlensäure explodierten – und das ohne Vorwarnung. Erst als die Glasflaschen zur Schaumweinflasche weiterentwickelt und drucktauglicher wurden, überstanden mehr Flaschen den Gärprozess.

Pet Nat ist die Abkürzung für Pétillant Naturel und bedeutet „natürlich prickelnd“. Pétillant Naturel oder Méthode ancestrale ist die älteste Methode der Schaumweinherstellung. Der erste urkundlich festgehaltene Schaumwein kommt aus dem Limoux in Südwestfrankreich. Das Abbey von Saint-Hilaire hat bereits im Jahr 1531 nach der Méthode ancestrale nachweislich Schaumwein produziert. Der Unterschied zur Méthode champenoise (auch Méthode traditionnelle genannt, die zweite Gärung in der Schaumweinflasche) ist, dass der gärende Most (von der ersten Gärung) ohne Zusatz von Zucker und Hefe in die Schaumweinflasche gefüllt wird und dort weitergärt. Dabei wird die Kohlensäure gebildet, es entsteht der Alkohol und die Gärung wird in der Flasche beendet. Die Flaschengärung beim Pet Nat hingegen ist keine zweite Gärung, sondern die Fortsetzung der ersten Gärung.

Die schäumende Bezeichnung des fertigen Pet Nat hängt vom Flaschendruck ab, bis 3 bar Druck wird dieser als Perlwein und über 3 bar Druck als Schaumwein bezeichnet. Das Rütteln der Schaumweinflaschen erfolgte erstmals 1813 in der Champagne. Pet Nat kam immer mit dem Hefetrub in der Flasche auf den Markt. Heute lassen viele Produzenten den Hefetrub ebenfalls in der Flasche, man kann aber einen Pet Nat auch degorgieren. Mancher Weintrinker schwenkt die Pet Nat-Flasche, um den Hefetrub besser zu verteilen – ähnlich wie bei einem naturtrüben Weißbier. Wenn Sie dies vorhaben, empfehle ich Ihnen, die Flasche ausschließlich im Freien zu öffnen, denn geschwenkte Flaschen zischen ordentlich aus. Selbst nicht geschwenkte Pet Nat-Flaschen können beim Öffnen der Kronenkapsel explosionsartig ausfahren. Der Verschluss von Pet Nat ist meist eine Kronenkapsel, bei höherem Druck werden ein Schaumweinkorken und eine Agraffe verwendet.

Ist Pet Nat immer ein Orange-, Bio-, Natural- oder Raw-Schaumwein? Nein! Jeder kann Pet Nat herstellen, allerdings haben sich die Orange-Natural-Raw-Weinproduzenten stark den wilden, ungestümen Pet Nat-Varianten verschrieben. So glauben nun viele Konsumenten, dass Pet Nat immer trüb und mit viel Gerbstoff behaftet sein muss. Da es keine klare Regelung für Pet Nat gibt, ist fast alles erlaubt und möglich. Jede Flasche ist somit eine Überraschung!

Kohlensäure durch die zweite Gärung

Werden einem ungeschwefelten, fertig vergorenen, nicht zu alkoholischen Wein Zucker und Hefe zugesetzt, startet eine zweite Gärung. Diese kann in speziellen Drucktanks (Méthode charmat) oder in der Schaumweinflasche stattfinden. Während der zweiten Gärung wird der Zucker durch die Hefe umgewandelt und es entstehen Kohlensäure und Alkohol. Die Schaumweine lagern – je nach gesetzlicher Vorschrift – unterschiedlich lange auf der abgestorbenen Hefe. Durch das Rütteln und anschließende Degorgieren wird die Hefe entfernt und mit der Dosage der Restzucker eingestellt. Fertig ist ein klarer, blanker, hefefreier Schaumwein.

Weine in Österreich bezeichnet?

Sehr unterschiedlich, sehr verwirrend, irreführend und kompliziert – leider! In all unseren Gesprächen mit Produzenten, Konsumenten und Sommeliers stellt sich eines heraus: Kaum jemand kennt sich aus. Eine Art von „Wurstigkeit“ ist in die Schaumweinbezeichnungswelt eingezogen. Jeder schreibt drauf, was er oder sie sich so denkt. Die ordnungsgemäße Überprüfung der Bezeichnungen unterliegt der Bundeskellereiinspektion und da hat man fast den Eindruck, dass Schaumweinetiketten manchmal durch den Kontrollraster fallen. Unser Tipp: Laden Sie sich die Bezeichnungsvorschriften der Bundeskellereiinspektion herunter und versuchen Sie damit, die Etiketten zu entschlüsseln.

Restzucker – Dosage

Auch bei der Bezeichnung des Restzuckergehalts kann es ganz schön verwirrend werden. Da die französischen Bezeichnungen in die deutsche, italienische und spanische Sprache übersetzt werden, stehen für ein und denselben Restzuckergrad mehrere Bezeichnungen zur Auswahl. Übersichtlicher und kundenfreundlicher wäre ein einheitlicher Begriff – egal in welcher Sprache. Und noch ein Detail am Rande: Extra trocken oder trocken bedeutet leider nicht sehr trocken oder trocken, wie man es beim Wein gewöhnt ist, sondern beschreibt einen Restzuckergehalt von 12 bis 17 Gramm beziehungsweise 17 bis 32 Gramm; und halbtrocken (32 bis 50 Gramm) ist keinesfalls mit dem Wein „halbtrocken“ (maximal 12 bis 18 Gramm) vergleichbar. Als Anhaltspunkt dazu der Vergleich mit Zucker: Ein handelsüblicher Würfelzucker wiegt drei Gramm, womit eine 0,75-Liter-Flasche mit trockenem Schaumwein umgerechnet bis zu acht Stück Zucker enthält.

Qualität des österreichischen Schaumweins

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© Christine Miess

Nach einigen Ausgaben der GENUSS.Schaumweintrophy können wir heuer beruhigt in die Zukunft blicken: Die Qualität hat sich über die vergangenen Jahre verbessert und teilweise deutlich gesteigert. Die Konzentration der Bewertung liegt im 3-Gläser-Bereich. Dies sind typische, saubere, teilweise unkomplizierte Schaumweine, die alle eines gemeinsam haben: Sie wollen gefallen! Manche möchten das um jeden Preis: Dies sind die säureärmeren, hoch dosierten und zuckerlastigen Varianten oder jene, die mit der beliebten österreichischen Frucht überdekoriert wurden. Diese Schaumweine sind alle fehlerfrei, besitzen eine Süffigkeit, sind unkompliziert und wie gesagt, sie sind konsum- und konsumentenfreundlich. Aber: Ihnen fehlt es an Charakter, Identität und Individualität. Ohne diese drei signifikanten Eigenschaften wird ein Schaumwein sehr schnell austauschbar.

Fazit

Wir alle wünschen uns, dass die großartigen Winzer Österreichs auch beim Schaumwein denselben individuellen Weg finden, den sie bereits seit Jahrzehnten beim Wein verfolgen. Abwechslung beflügelt und ein paar neue bunte, wilde, eigen willige Flügel vertragen unsere Schaumweinwelt auf jeden Fall! So waren beim Sekt, Qualitätsschaumwein und Sekt g.U. Klassik wenig Qualitätsunterschiede zu verkosten. Das Geschmacksbild und die Idee für diese Schaumweine sind sehr einheitlich; auch hier wären mehr Individualität und Eigenständigkeit wünschenswert. Im Bereich der Sekt g.U. Reserve gehen viele Winzer bereits ihren individuellen Weg und zeigen charaktervolle Schaumweine in unterschiedlichen Varianten. Unserer Meinung nach sind die Idee und Interpretation der Reserven sehr gut umgesetzt worden. Die Kategorie Sekt g.U. Große Reserve war traditionell jene mit den wenigsten Einreichungen. Hier zeigte sich, dass eine Große Reserve sehr individuell interpretiert wird. Für manche ist eine Große Reserve (ähnlich zu Wein) im Holz ausgebaut, sehr kraftvoll, konzentriert und stoffig. Für andere liegt der Fokus in der Präzision, im Purismus, in der Eleganz, in der Filigranität und in der Finesse. Spannend sind beide Varianten, allerdings sind die üppigeren Versionen keine wirklichen Aperitif-Schaumweine, sie passen aber perfekt als Speisenbegleiter in eine Menüfolge.

GENUSS.Info

Alle Details zur GENUSS.Schaumweintrophy 2020 und Schaumwein aus Deutschland finden Sie im kommenden GENUSS.Magazin 07/2020! Ab 28. Oktober 2020 im Zeitschriftenhandel, als Abo oder ePaper.