Junge wilde Brenner

Ein Artikel von Jürgen Schmücking | 15.03.2021 - 06:00

In Sachen Schnaps ist Österreich eine Weltmacht. Nein, damit ist natürlich nicht die Produktionsmenge gemeint. In Relation zum globalen Markt destillieren unsere Brennerinnen und Brenner eher homöopathische Dosen. Aber in Sachen Qualität sind wir Weltmeister. Kein anderes Land brennt so präzise, klare und vor allem so sortentypische Fruchtbrände wie Österreich. Analog zu dem, was die Winzer beim Wein zustande gebracht haben, könnte man glatt vom „österreichischen Schnapswunder“ sprechen. Unter den Leistungsträgern
dieser Entwicklung finden sich klingende Namen. Rochelt zum Beispiel. Oder Gölles, Reisetbauer, Wetter oder Kössler in Tirol. Und dass das auch so bleibt, hängt in erster Linie vom Nachwuchs ab. Wir haben uns vier junge
Brennereien im Land angesehen und sind mittlerweile überzeugt, dass wir uns keine Gedanken machen müssen. Österreich wird an der Spitze bleiben.

Noch ein Generationensprung: David Gölles

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Auch David Gölles ist das Destillier-Gen schon von den Eltern mitvererbt worden. Der Südoststeirer hat seinen eigenen Weg gesucht und gefunden. © David Gölles

Wir begeben uns in die grüne Mark. Genauer gesagt an die Riegersburg in der Südoststeiermark. Hier wird seit den späten 70ern von der Familie Gölles Schnaps gebrannt und (etwas später) Essig gebraut. Beides in so herausragender Qualität, dass sich der Name Gölles unauslöschlich im kulinarischen Bewusstsein von Gourmets und Genießern eingraviert hat. Alois Gölles ist eine große Persönlichkeit und einer der Pioniere der gehobenen Destillatkultur. Sein Sohn David, Jahrgang 1988, steht (oder eher stand) vor ziemlich großen Fußstapfen. Ihm blieb also gar nichts anderes übrig, als etwas Außergewöhnliches, Großartiges auf die Beine zu stellen. Und das Destillieren im Blut, eine grundsolide Ausbildung (Lebensmittel- und Bio-Technologie an der BOKU in Wien) und ein breit gefächerter Strauß an Auslandserfahrung bildeten dafür die beste Voraussetzung.

Allerdings musste es nicht nur etwas Großartiges sein, es musste auch ein anderer, ein eigener, Weg sein. Mit Gin fing dieser Weg an. Als David nach seinen Lehr- und Wanderjahren nach Riegersburg zurückkam, war die Gin-Welt schon außer Rand und Band. Es gab Gin ohne Ende. Große wie kleine Brennereien brachten im Wochentakt neue Produkte und Abfüllungen heraus. Quereinsteiger, egal ob sie im Haupterwerb Heizungsinstallateur oder Vermögensberater waren, fluteten den Markt mit stets neuen Marken und Geschmäckern. Jetzt spielte aber der Gin für den jungen Genießer David eine bedeutende Rolle in seiner professionellen Sozialisation. Die Spirituose ist ihm in seiner Lehrzeit ans Herz gewachsen. Deshalb war es für David klar, dass ein eigener Gin hermusste. Der Realist in ihm wusste, dass der Markt mit Gins bereits überschwemmt war, der Idealist träumte indes von genau seiner eigenen Geschmacksnote. Was entstand, waren 28 verschiedene Versionen. Das ist Davids Vorstellung von Qualität. So viele brauchte es, bis das Produkt seinen Vorstellungen entsprach. Im Mai 2017 präsentierte er der Öffentlichkeit den HANDS ON-Gin. Ein unglaublich harmonischer Gin mit unfassbar komplexer und gut balancierter Geschmacksfülle. Mazeriert wird in doppelt gebranntem weißem Rum, zum Einsatz kommen fünf Botanicals. Nicht mehr. Wacholder (weil das für den Gin das identitätsstiftende Essential ist), schwarze Ribisel (weil sie Kraft und Volumen beisteuert und gleichzeitig eine Hommage an die Herkunft ist; immerhin waren Äpfel und Johannisbeeren die ersten Früchte, die in den 50er-Jahren am Hof angebaut wurden), Zitronengras (für eine feine Fruchtigkeit), Blattkoriander (weil der mit trockenen Tonics eine besonders feine Note ergibt) und Orangenschale (um dem Ganzen einen erfrischenden Touch zu geben). Eine Wucht, der Gin. Und zu Recht Sortensieger bei den World Gin Awards 2018.

Das war der erste Schritt. In der Zwischenzeit folgte eine Reihe weiterer Schritte und der Weg von David Gölles ist glockenklar sein eigener, und er führt ihn vom Gin geradewegs zu den beiden anderen Bar-Spirits Whisky und Rum. Bei diesen Destillaten ist die Sache nicht so einfach wie beim Gin. Hier entsteht ein beträchtlicher Teil des charakteristischen Geschmacks und des fertigen Aromas erst durch die Lagerung in Fässern. Das macht auch die Produktentwicklung deutlich komplexer. Und natürlich spannender. Sowohl für den Brenner als auch für den Genießer. Die Rums der Ron Johan-Linie und die Whisky-Serie RUOTKER’S kann übrigens im RUOTKER’S house of whisky, gin & rum gekauft und verkostet werden. In diesem ehemaligen Gasthaus lagern die Whisky- und die Rumfässer. Und was da noch auf uns zukommt, ist groß. Ganz groß.

GENUSS.Info

Junge wilde Brenner
In Kürze in Teil 4: Monika und Mario Thauerböck
Teil 1 | Bartholomäus Fink
Teil 2 | Michael Flunger
Den gesamten Artikel mit allen Porträts finden Sie gleich im GENUSS.Magazin 08/2020.