Während der Schinken als Rohschinken, Räucherschinken oder frisch und heiß bereits in antiker Zeit als Delikatesse galt, ist das, was heute Kochschinken heißt, etwas jünger. Etwa seit dem 14. Jahrhundert finden sich in den Kochbüchern Rezepte, die den Schlögel in die uns vertraute Form bringen. Der heute als „klassisch“ wahrgenommene Kochschinken ist entgegen mancher Vermutung auch kein „richtiger Österreicher“. Die zarten Scheibchen auf dem Brot, die dem Feinschmecker manchen wohligen Seufzer entlocken, gehen auf den Prager Schinken zurück. In der böhmischen Küche bereits seit dem 16. Jahrhundert bekannt, wurde der saftige Schlögel ursprünglich meist als warme Mahlzeit genossen. Mitte des 19. Jahrhunderts fand er den Weg in die österreichische Küche und erfreut sich seither ungebrochener Beliebtheit. Heute bezeichnet Prager Schinken eine Sorte, die etwas stärker geräuchert ist als etwa der traditionelle Beinschinken.
Die Herstellung
Allen Kochschinken-Köstlichkeiten gemeinsam ist die Herstellungsweise. Dabei beginnt der Weg zum perfekten Produkt schon vor dem Schritt in die Produktion. Der erste Schritt zum köstlichen Schinken ist die Auswahl des Schweins, denn die Fleischqualität ist bei der Verarbeitung in ganzen Stücken besonders wichtig. Gut genährt muss es sein, und auch eine gewisse Bewegungsfreiheit trägt dazu bei, dass der Schlögel zart, sa ig und mit der genau richtigen Schwarte überzogen ist.
Während ein gut aufgezogenes Hausschwein diese Qualitäten durchaus mitbringt, wissen Feinschmecker auch die Qualitäten spezifischer Rassen zu schätzen. Sehr beliebt ist in den letzten Jahren etwa das Mangalitza- oder Wollschwein. Keine Rasse, sondern eine Schweine-Lebensart bezeichnet dagegen das südoststeirische Woazschwein, das eine Genussregion benennt. Mit klar vorgegebenen Richtlinien zu Fütterung und Bewegungsfreiheit wird bei diesen Tieren auf eine qualitätsorientierte Fleischproduktion geachtet.
Andere Ernährungsformen, wie Kastanienschweine oder freilaufende Waldschweine, sind in Österreich eher unüblich und daher sehr selten. Hat man den richtigen Schlögel gefunden, muss er zuerst gepökelt werden, also mit reichlich Salz für Geschmack und Haltbarkeit versehen. Entweder ruht das Fleisch dabei mehrere Tage in einer Salz- und Gewürzlake, oder das Salz wird mit Lakespritzen direkt eingebracht. Die Salzlake wandert dabei idealerweise über die Äderchen im Fleisch, eine gleichmäßige Verteilung ist Voraussetzung für den späteren Genuss. Danach erhalten die meisten Kandidaten eine mehr oder weniger sanfte Räucherung, die traditionell über Buchenholz erfolgt. Schließlich wird der Schinken bei relativ niedriger Temperatur langsam durchgegart, denn ein schnelles, heißes Kochen würde Aroma und Sa igkeit beeinträchtigen. Dass der klassische Beinschinken aus einem einzigen Stück besteht, versteht sich von selbst, doch auch wenn der Schinken in Formen zusammengesetzt wird, darf außer Fleisch, Salz und Würzung nichts zugegeben werden.
Große Vielfalt
Trotz dieser strengen Vorgaben hat die heimische Schinkenlandschaft eine kreative Vielfalt entwickelt, die sich appetitanregend in den Vitrinen aneinanderschmiegt. Vom ganzen eleganten Stück mit Knochen, das edel im Schinkenspanner lockt, über handlichere Teile wie Press- und Saunaschinken bis hin zum kleinteiligen Toastschinken reicht die Palette, die sich auch noch in Würze und Räucherintensität voneinander abhebt.
In Sachen Fettgehalt spalten sich die Konsumentenwünsche. Während figur- und gesundheitsbewusste Genießer eher zu Produkten ganz ohne Schwarte greifen, sehen andere den geschmacksgebenden Fettrand beim Schinken als unerlässlich an. Zum Glück ist in der fleischigen Artenvielfalt für jeden etwas dabei, denn ob das weiße Geschmacksglück zum Genuss gehört, entscheidet der Hersteller – ausgenommen beim traditionellen Beinschinken, denn der lässt sich höchstens nach dem Aufschneiden vom Fettrand befreien. Gewürzt wird das edle Stück klassisch mit Pfeffer, Muskat und Knoblauch, doch in der modernen Schinkenwelt sind der geschmacklichen Phantasie des Herstellers kaum Grenzen gesetzt. Trägt ein Schinken ein Gewürz im Namen, findet man dieses meist als Ummantelung außen herum. Seit der Hinwendung zum regionalen Genuss ist die Wahl der Gewürze häufig auch ortstypisch.
Herzhaft im Süden
So findet man etwa in der Steiermark neben dem beinahe schon traditionellen Kürbiskernmantel für den Schinken auch den Hirschbirnschinken von Robert Buchberger aus Pöllau oder den Schilcherlandschinken vom Sorger aus Frauental, der mit Wein veredelt wird. Der „Kärntner Italiener“ Frierss produziert in Villach Schinkenvielfalt von zart bis würzig. Ganz zart und ungeräuchert zeigt sich etwa der Naturschinken Venezia mit feinem Fleischaroma. Alpenländischer, nämlich mit feiner Buchenholz- Räuchernote, präsentieren sich der Natur-Beinschinken und der Bauernschinken. Richtig rustikal wird es schließlich mit dem Kärntnerland Schinken, einem krätiig gewürzten und geräucherten Kochschinken. Die Kärntner Gemeinde Bleiburg feiert jährlich ein Schinkenfest, bei dem die besten Produkte der Region vor dem Osterfest vorgestellt werden. Auch der Petzenland-Schinken ist eine Kärntner Spezialität – er wird vor dem Kochen mit Kräutern gesurt.
Traditionelles aus Salzburg
Etwas stärker geräuchert als ganz im Osten, aber inhaltlich klassisch – so kennt man Kochschinken in Salzburg. In Oberndorf sorgt etwa der Traditionsbetrieb Ablinger für schinkiges Vergnügen. Der Kaiserschinken etwa ist ein gewachsenes Stück mit schönem Fettrand, der intensive Wacholderschinken macht sich besonders gut vor dem winterlichen Kamin. Das Familienunternehmen Mache produziert den Salzburger Kochschinken, der sich sanft und doch markant an den Gaumen schmeichelt, nach altem Familienrezept. In Golling lockt Döllerers Landschinken mit fleischig feinem Aroma.
Herzhaft es aus dem Westen
Wenig überraschend haben in Tirol geräucherte und luft - getrocknete Schinken die Nase vorn. Dennoch gibt es auch Gekochtes, das sich zu kosten lohnt. Der Schinken-Platzhirsch Handl etwa hat den Tiroler Bauernbraten vom Schinken im Programm, der neben der üblichen Schinken- Behandlung noch leicht angebraten wird und dadurch sein spezifisches Aroma erhält. Zart alpenländisch gibt sich der Heuschinken von Huber aus Kitzbühel, der mit Almheu ummantelt einen Anflug von Urlaub auf den Teller zaubert. Der Kitzbühler Hahnenkammschinken soll sich besonders saftig an den Genießer-Gaumen schmiegen. Auch ganz im fernen Westen hat der Räucherschinken die stabilere Tradition, doch neben etwas kräftiger geräucherten Klassikern ist Vorarlberg überraschend offen für Experimente. Ungewohnt pastös sorgt etwa der Schinkenaufstrich der Landmetzgerei Graninger für kulinarische Aha-Erlebnisse.
Klassik und Moderne im Nordosten
Der niederösterreichische Schinken-Spezialist Berger hat mit über 60 Sorten wohl die breiteste Auswahl im Land. Der mehrfach ausgezeichnete Beinschinken, der Backofen-Schinken und der Römerschinken verwöhnen den Gaumen ganzjährig, dazu kommen saisonal gewürzte Spezialitäten wie Spargel- und Bärlauch-Schinken fürs Frühjahr, Zitronenpfeffer für den Sommer oder eine kräftige Trüffelnote für den Herbst. Jährlich kreiert das Traditionsunternehmen neue Sorten, aktuell etwa den Berger Beinschinken Selektion. Nachhaltig aufgezogene Tiere aus der Region liefern den Rohstoff, gewürzt wird mit natürlichen Zutaten ohne Geschmacksverstärker. Das Resultat ist nicht nur vollmundig und saftig, sondern lässt sich auch mit gutem Umweltgewissen genießen, denn die Verarbeitung erfolgt mit hauseigenem Solarstrom.
In Hollabrunn sorgen Franz und Andrea Hofmann für fleischliche Genüsse, und in der Schinken-Vitrine lockt besonders der Veltliner-Schinken, der die traditionellen Aromen mit einem Haucherl regionalen Weingenusses perfektioniert. Weich und zart lockt der Mohnschinken von Doris Steiner- Bernscherer nach Sollenau.
Ein Stückchen weiter Richtung Westen locken oberösterreichische Schinken mit dem regional üblichen san en Gleichgewicht zwischen Würze und Räucheraroma. Während die Schinken-Spezialitäten von Fleischprofis wie Zellinger und Hütthaler sich an jedem Buffet locker vernaschen lassen, kann man auch bei kleinen Dorf-Fleischern immer wieder Köstliches entdecken. Als Geheimtipp gelten etwa die Kreationen von Ludwig Vogl aus Palting im Innviertel.
Exotik aus dem Osten
Das Hinterbein des Mangalitzaschweins regt gerade in seiner Herkunftsregion zu neuen Ideen an, auch wenn die Top-Fleischer des östlichsten Bundeslandes sich gerne auf die luftgetrockneten Edelschmankerl konzentrieren. Den klassisch gekochten Osterschinken in zartsaftiger Milde bringen aber auch Rohschinken-Profis wie Otmar Tschürtz oder Martin Karlo perfekt auf den Frühlingstisch. In den östlichen Kochschinken-Varianten findet sich durchschnittlich ein Haucherl mehr Knoblauch und weniger Räucheraroma als im übrigen Österreich, wie etwa im feinen Pressschinken von Franz Wallner aus Pöttsching. Starke Schinken kommen im Burgenland auch von den Ho äden – individuelles Kosten lohnt sich!
Facettenreichtum in der Hauptstadt
Auch die Wiener Fleischer haben in Sachen Schinken ihre eigenen Spezialitäten. Besonders zart auf dem Teller ist etwa der Ferkelbeinschinken des Traditionsunternehmens Gissinger. Er stammt von 15 Wochen alten Schweinchen und wird mit sanfter Hand gewürzt und nur ganz leicht geräuchert, sodass das junge Fleischaroma im Vordergrund steht. Ungebrochener Beliebtheit erfreuen sich auch die Wiener Beinschinken und der BIO-Mangalitzaschinken der Schinkenmanufaktur um.
Die Konzentration auf hochwertige Rohstoffe und auf Handarbeit verleiht den edlen Stücken aus dem Familienbetrieb ihr zart fleischiges Aroma. Radatz wiederum bringt zusätzlich zu seinen Klassikern mit dem Pfeffer-Beinschinken eine ganz eigene Note in die heimische Schinkensinfonie. Der frischwürzige Pfeffer im Bein verleiht dem Fleischgenuss ein lebendiges Aroma, ohne die Zartheit zu übertönen. Edle Schinken ndet der Feinschmecker aber in allen Feinkosttheken der Supermärkte, in Lebensmittelgeschäften und in den heimischen Fleischereien.