Eing’salzen is’!

Ein Artikel von Redaktion, A. Sturm | 21.09.2016 - 21:53
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© Shutterstock Alessia Pierdomenico

Heutzutage schätzt man das Gepökelte oder, österreichischer, Gesurte, vor allem wegen des besonderen Geschmacks. Wenn das Salz lange im Fleisch wirken kann, schmeckt es anders, als wenn die rieselfreudige Würze erst kurz vor dem Verzehr zugegeben wird. Auch die Struktur des Eingesalzenen verändert sich, es wird mürber und zarter. Die ursprüngliche Aufgabe des Salzes ist längst in den Hintergrund getreten, doch regionale und internationale Spezialitäten von der Salami über den Surspeck bis hin zu luftgetrocknetem Schinken und Speck hätten sich in ihrer heutigen Form gar nicht entwickelt, wäre es nicht darum gegangen, dem ebenfalls hungrigen Zahn der Zeit ein Schnippchen zu schlagen.

 

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© Rottensteiner

Wissenschaftlich erfüllt das Salz zwei Aufgaben: Es entzieht dem Fleisch das Wasser und macht es gleichzeitig unwirtlich für Einzeller wie eben Bakterien. Im Laufe der Zeit haben sich unterschiedliche Grundmethoden entwickelt, um die Wirkung der Salzkristalle zu nutzen. Beim Pökeln kommen weitere Inhaltsstoffe dazu. Üblicherweise ist es das Nitrit, das mit höchstens 0,6 Prozent Konzentration allerdings sparsam eingesetzt werden muss, weil es in höheren Mengen giftig ist – aber das betrifft eben auch die schädlichen Bakterien, deren Verbreitung damit nachhaltig aufgehalten wird. Außerdem ist Nitrit für die sogenannte Umrötung verantwortlich, bei welcher der Muskelfarbstoff Myoglobin in eine hitzebeständige Verbindung umgewandelt wird, sodass die Produkte auch nach dem Kochen ein appetitliches Rosa zeigen. Alternativ kann man diese Effekte auch mit Salpeter (Natriumnitrat) erreichen, das von spezifischen Bakterien im Fleisch zu Nitrit umgewandelt wird – der Prozess dauert dadurch etwas länger. Heute spielt meist auch Ascorbinsäure eine Rolle. Sie baut das im Endprodukt eher unerwünschte Nitrit ab und verstärkt die Umrötung. Wer sich Sorgen um seine Gesundheit macht, sollte übrigens darauf verzichten, Gepökeltes auf den Grill oder in die Pfanne zu werfen. Die hohen Temperaturen bringen das verbleibende Nitrit dazu, sich mit den Proteinen zu den möglicherweise krebserregenden Nitrosaminen zu verbinden. Wird das Gepökelte gekocht, also nicht über 100 Grad erhitzt, unterbleibt diese Reaktion.

Trocken oder Nass

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© Rottensteiner

Während das Haltbarmachen mit Salz schon aus babylonischer und der Vorgang der Umrötung seit römischer Zeit zumindest indirekt in verschiedenen Texten beschrieben wurden, verdanken wir den Namen laut einer weithin akzeptierten Theorie dem Holländer Gillis Beukel, der sich Ende des 14. Jahrhunderts mit den Konservierungsmethoden beschäftigte. Genauer chemisch erforscht wurde die spezifische Wirkung von Nitrat und Nitrit allerdings erst Ende des 19. Jahrhunderts. Mit beiden Mixturen lassen sich die erwünschten Köstlichkeiten entweder trocken oder nass pökeln.

Wie der Name schon sagt, kommen Fleisch und Pökelsalz dabei trocken zueinander. Das kann durch meditative Handarbeit geschehen, indem man das edle Stück rundherum zärtlich mit Salz einreibt, bevor es ruhen darf. Eine andere Variante ist es, das Fleisch mit Salz zu bedecken – gerne auch lagenweise, also eine Schicht Salz, eine Schicht des zu konservierenden Materials. Die Flüssigkeit, die dabei durch Osmose entzogen wird, lässt man entweder abfließen, oder sie bleibt als Lake stehen – Letzteres ist dann sozusagen der sanfte Übergang zum Nasspökeln. Dabei liegt das gewünschte Stück komplett, also unter Wasser luft dicht in einer Salzlake, die durchaus auch mit anderen geschmacksgebenden Gewürzen angereichert sein kann. Die Dauer richtet sich bei beiden Methoden nach der Dicke des Fleisches. Als Faustregel kann man annehmen, dass pro Zentimeter Fleischdicke mindestens ein Tag Trockenpökeln erforderlich ist, bei der feuchten Variante verdoppelt sich dieser Zeitraum. Ein schönes Stück Schinken kann also schon einmal sechs bis acht Wochen brauchen, bis der gewünschte Durchsalzungsgrad erreicht ist.

 

Doch nicht alle Köstlichkeiten haben so viel Zeit, und deshalb erfanden findige Genießer das Schnellpökeln. Dabei wird Salzlake mit Spritzen in die Adern und in das Muskelfleisch eingebracht, die Zeit bis zum fertig durchsalzenen Produkt reduziert sich gegenüber dem traditionellen Nasspökeln nochmals um die Hälfte. Ist das Salz einmal im Fleisch, können die Köstlichkeiten auf viele Arten weiter veredelt werden. Der adelige Beinschinken etwa fällt unter die Kochpökelwaren, die nach der Salzveredelung sanft durchgegart werden. Rohpökelwaren wiederum werden luft getrocknet oder geräuchert – manchmal auch beides. Sie begegnen uns als Speck in verschiedenen Varianten oder eleganter als Osso Collo oder Lachsschinken.