Es darf ein bisschen rot sein

Ein Artikel von Birgit Kowarik | 26.05.2021 - 09:58

Ursprünglich stammt dieser Dauerbrenner von der Rinderhüfte, so wie das heute noch in
Großbritannien der Fall ist. In unseren Breiten kommt der edle Rinderbraten meist von der
Lende und erfreute ebenso die GENUSS.Jury, die 17 Kandidaten verkostet hat.

Der aus dem Englischen übernommene Begriff „Roastbeef“ bedeutet sinngemäß übersetzt nichts anderes als Rinderbraten und ist an keine Herkunft gebunden. Das Fleisch stammt im deutschsprachigen Raum von der gelösten äußeren Lendenmuskulatur des Rindes, hierzulande auch Beiried genannt. Kalt wird es gerne für eine gediegene Jause mit Senf und Kren oder Sauce Tartare genossen. Warm eignet es sich hervorragend für festliche Anlässe, mit Beilagen wie Braterdäpfel, Gemüse und Saucen.

Qualität spürt man im Geschmack

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© Herbert Lehmann

Um ein Maximum an Geschmack zu erreichen, wird für Roastbeef nur ein Jungrind (Kalbin, Stier, Ochse) verwendet, da das Fleisch eine sehr feine Faserstruktur aufweist und vollfleischig mit einer geringen Fettabdeckung ist. Idealerweise stammt der Fettrand vom intramuskulären Fett, das durch eine gezielte Fütterung entsteht. Die Reifezeit des Fleisches sollte mindestens zwei bis drei Wochen andauern, denn auch junges Fleisch braucht Zeit, um Topqualitäten zu erreichen. Zwei populäre Reifemethoden sind die klassische Trockenreifung, auch „Dry Aging“ genannt, wo das Fleisch am Knochen abhängt. Hierbei verdampft das Wasser des Fleischteils an der Luft. Im Gegensatz zur Trockenreifung wird bei der der Nassreifung („Wet Aging“) das Fleisch in einem Vakuumbeutel verzehrfertig gereift. Während dieses sensiblen Reifeprozesses werden bestimmte Muskelzellstrukturen durch Gewebsenzyme gelöst, die wiederum einen langsamen Eiweiß- und Fett­abbau hervorrufen. Die dabei entstehenden gewünschten Reifebakterien sind für Geschmacksbildung und die Zartheit des Fleisches entscheidend. Denn je zarter das Fleisch wird, desto mehr Aromen können sich entfalten, und diese führen schlussendlich zu den wahren Gaumenfreuden.

Die Zubereitung macht die Optik

Das Hauptmerkmal bei einem Roastbeef ist unbestritten der rosa Kern, obwohl sich auch hier die Geister scheiden können. Es sollte einen möglichst großen homogenen Kern aufweisen, dessen Garstufe irgendwo zwischen „medium rare“ und „medium“ angesiedelt ist. Am besten also rosa genug, um kräftig und frisch zu schmecken, aber keinesfalls „blutig“. Dazu sollte ein Roastbeef natürlich mürbe und zart im Biss sein, aber auch stabil genug, um gegebenenfalls dünn geschnitten werden zu können. Wichtig ist auch die richtige Oberflächenwürze beziehungsweise Marinade, denn diese verleiht dem Geschmack den letzten Schliff. Dazu verwendet man am besten Salz, Schwarzen Pfeffer sowie Estragon oder Dijon-Senf. Die Würzung sollte dabei dezent im Hintergrund bleiben, denn zu viel des Guten untergräbt die feinen Bouillon-artigen Fleischaromen des Roastbeefs.
Bei der Wahl der Garmethode ist das Niedrigtemperaturverfahren mit einer Kammertemperatur von 80 Grad und einer Kerntemperatur auf bis zu 55 Grad sehr beliebt. Es unterstützt die Aromenausbildung optimal, und das Fleisch bleibt saftig und rosa. Eine alternative Methode ist, das Fleisch bei 250 Grad von Beginn an etwa 15 Minuten zu garen, um danach die Temperatur reduzieren, bis eine Kammertemperatur von 80 Grad und eine Kerntemperatur von bis zu 55 Grad erreicht ist. Nach Erreichen der gewünschten Kerntemperatur wird der Braten in heißem Fett kräftig und rasch auf allen Seiten dunkel angebraten, bevor man ihn ruhen lässt.

Ein Toast auf das Roast

Überaus ansprechend präsentierten sich die heimischen Roastbeef-Kandidaten, bevor sie unters Messer kamen. Nach einer fachkundigen Einführung durch den erfahrenen Sensoriker DI Manfred Winkler wurden die Exemplare zunächst optisch begutachtet und danach auf ihre Röstaromatik, Bissfestigkeit, Saftigkeit sowie auf ihren individuellen Eigengeschmack bewertet.

Die beiden verdienten ersten Plätze gingen an die Fleischerei Auernig aus dem Salzburger Hallwang sowie an Merkur, Filiale Bergmillergasse in 1140 Wien. Die Fleischerei Auernig überzeugte mit einem schönen rosa-roten Kern, einer raffinierten pfeffrigen Würzung sowie mit einem zarten und saftigen Biss.

Das gute Stück von Merkur glänzte mit einem sehr ansprechenden Farbverlauf bis hin zum dunkelrosa Kern. Neben einem zarten und saftigen Mundgefühl gab wieder die harmonische, leicht rauchige Salz-Pfeffer-Würzung den Ausschlag.

Der dritte Platz geht an die Fleischerei Hofmann aus Holla­brunn in Niederösterreich. Auch hier dominierte wieder ein rosa-roter saftiger Kern. Die zart schmelzende Textur gepaart mit einer harmonischen Würze sowie eine gute Reifearomatik überzeugte auf allen Linien. Generell war das Qualitätsniveau dieser Verkostung sehr hoch.

Punkteabzüge gab es lediglich für eine zu geschmacksneutrale oder eindimensionale Würzung, wie beispielsweise zu viel Senf. Manche Exemplare waren sehr bissfest oder eher grobfasrig und wirkten dadurch am Gaumen recht trocken.

Alle Verkostungsergebnisse finden Sie hier zum Download!

Die GENUSS.Kostjury

Verkostungsorganisation und -leitung: Johannes Rottensteiner, Fleisch-Diplom-Sommelier
Verkoster: DI Manfred Winkler, Sensoriker, DI Gottfried Krottendorfer, Direktor HTL-LT Hollabrunn, Herbert Lehmann, Food-Fotograf, Mag. Birgit Kowarik, Weinakademikerin, Pepe Perez-Ubeda, Weinakademiker

Alle Informationen & Details zu unserem Verkostungs-System finden Sie hier!