St. Laurent: Österreich und Deutschland im Visier

Ein Artikel von Sepp Wejwar & Nina Raiser | 29.10.2009 - 00:00
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© Wegro, Newman, Kuhn

Mitglieder der Gattung Homo sapienskämpfen gelegentlich mit ihrem Ego, wenn andereFamilienmitglieder im Rampenlicht stehen.Über St. Laurent ist noch kein Liebesfilm gedrehtworden, die Rebe gehört bislang nichtzu den Ersten, die über den roten Sortenteppichschreiten. Zu Unrecht steht sie meist nichtauf der "Mental Short List" - wenn eine solcheabgefragt wird: "Nennen Sie jene Rebsorten,aus welchen in Rot gehaltener Weltspitzenweingekeltert werden kann." Es sei denn, man fragtHerrn Doktor Hamm danach. Er sitzt am Rudereiner der wichtigsten und größten WinerysÖsterreichs, des herrlichen Weinguts des StiftesKlosterneuburg. Dort sind alle Scheinwerferauf St. Laurent gerichtet. Der Sor te gilt diegrößte Aufmerksamkeit am Stiftsweingut,St. Laurent ist für die Klosterneuburger wichtigerals alle weißen Sorten. Ob das reicht, guteWeine zu keltern? Lesen Sie die Kostnotizen!

In St. Laurent die Größten: das Stift Klosterneuburg

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Johannes, Michael und Christian Reinisch setzen das Lebenswerk ihres kürzlichverunglückten Vaters Hans Reinisch (r.) fort, der dem St. Laurent stets verbunden war. © Wegro, Newman, Kuhn

Bereits 1860 hat der damalige Direktor derKlosterneuburger Weinbauschule, Freiherr vonBabo, St. Laurent ausgepflanzt. Unsere Sortefindet sich seit 1893 im Spiegel des Stiftes, damalswurde sie noch in Rieden am WienerKahlenberg erzogen. 1956 wurde mit der Auspflanzungvon fünf Hektar in Tattendorf begonnen,im Laufe der Jahre wurde dort die Flächeimmer wieder vergrößert. Mit 40 Hektar imErtrag ist das Stift heute der größte St.-Laurent-Erzeuger - weltweit.
Auch wenn im Stift Klosterneuburg einige andereKöstlichkeiten gekeltert werden, dort sagtman: St. Laurent total. Er wird in mehreren Ausbaustufengepflegt. Als fruchtig-saftiger Stiftswein,als im großen Holzfass gelagerter Ausstich (so wird im Stift die Selektion der bestenFässer bezeichnet), in guten Rotweinjahrenauch als kräftigen Barriquewein. Nach den Jahrgängen’00 und ’03 kam mit dem 2006er zumdritten Mal die monumentale Reserve in denVerkauf. Sie lotet die Grenzen der Rebsorteaus. Daneben ist St. Laurent im Stift auch in denCuvées Escorial und Chorus vertreten. Er verleihtden Verschnitten samtige Fülle und frischeFrucht. Vom Ausstich gibt es ein Weingelee -wer durch unsere Geschichte zum Liebhaberder Sorte wird, sollte sich die süße Köstlichkeitbesorgen, dann kann er St. Laurent schon amFrühstückstisch genießen. Dor t könnte manauch reinsor tigen, natur trüben St.-Laurent-Traubensaft einstellen.

Reinisch mit "R" wie "Rhone"

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Philipp Kuhn aus Laumersheim - gehörtnicht nur zur "roten" Elite Deutschlands. © Wegro, Newman, Kuhn

Hätte man Johann Reinisch vor 10 Jahren gefragt,ob St. Laurent endlich bereit ist, aus desberühmten Verwandten Schatten zu treten,hätte er laut und deutlich mit "Ja!" geantwortet.Heute hat er sich sogar von diesem Gedankenfrei gemacht, denn mit Pinot noir haben für ihndie Weine aus St. Laurent nichts mehr gemein.Er würde sie eher mit jenen aus Syrah (nichtaus der Stadt - aus der Rebsorte) vergleichenund sie vielmehr dem Rhone-Gebiet zuschreiben,als ihn in das Burgund zu stecken. DerSpätburgunder ist für ihn elegant, ein feinerHerr. Ganz anders der St. Laurent: Reinischsieht ihn fleischig und wild; unbändige Natur.Er hat es seinem Großpapa zu verdanken, dasser heute jene Weine erzeugen kann, die er vomSt. Laurent will. Der alte Reinisch baute bereits1956 in denselben Lagen St. Laurent an, dieauch das Stift Klosterneuburg für sie auserkorenhatte. Noch heute leiden dort die Stöckedes Gutes - und erbringen so die bestenErgebnisse. Auf kalkhaltigen, sehr kargen Bödenstehen alte Reben: "Bodenvorkommen undTerroir sind hier, bei uns in Tattendorf, perfekt."Die Gegend heißt nicht ohne Gr und"Steinfeld".
Zunehmendes Alter bringt viele Vorteile. BeimWein ist das so: Die alten Reben konzentrierensich voll und ganz auf die Trauben. Auch durchdie kargen Böden werden sie kurz gehalten,das potenzier t den Effekt. Für Reinisch sindSt. Laurent und Pinot noir keine mehr oderweniger ungleichen Brüder, sondern zweihöchst unterschiedliche Sorten. "Sie sind fürmich keine Konkurrenten, das spiegelt sichauch im Weinsortiment wider." Beide sind imAnbau und auf der Liste gleich starkvertreten.

Unterforderte Winzer - bitte melden!

Alle Befragten erzählen von den großen Anstrengungen,welche die Laurenzitraube demWinzer abverlangt. Nichts für Gemüter, die denWeg des geringsten Widerstands suchen. In derFachliteratur finden wir Sätze wie "Den Nachteilenim Anbau stehen gegenüber …". MarkusSieben vom Schloss Halbturn nennt einenSpruch, der im Burgenland kursiert. Auf Hochdeutschübersetzt lautet dieser: "Ein Winzer, dersich unterfordert fühlt, pflanze St. Laurent!" Siebenbeschreibt den aufwändigen Weg vomWeinberg in die Flasche. Der beginnt bei derkniffligen Auswahl der richtigen Lage, führt überdie intensive Pflege, das gesamte Vegetationsjahrüber, bis hin zu der Gefahr, die Nerven zu verlieren.Etwa dann, wenn der St. Laurent in eine ArtReifestarre fällt. "Manchmal dümpeln die Traubendrei Wochen lang bei 80 bis 85 Grad Öchsleherum. Wer in einer solchen Situation die Lesemannschafthinausschickt, aus Angst, die Ernte zuverlieren, dem entgehen die stoffigen, vollenWeine, die man bekommen kann." Hat manaber Geduld, kann man Trauben mit gut 100Grad Öchsle einbringen. Die fordern dann vielleichtwieder - nämlich einen höheren Selektionsaufwand.Spätestens aber, wenn man denwürzigen und charaktervollen Wein kostet, istman mehr als entschädigt. Jetzt muss Er nur nochjene Liebhaber finden, die ihn auch verdienen.Sieben sagt, die Weine seien keineswegs jedermannsLiebling. Auch der Konsument muss sichauf sie einlassen, sie trotz oder besser noch fürseine Kanten lieben. Den Hauptstrom sucht derSt. Laurent nicht. Vielmehr hat die Sorte die Kraft,in aufgeschlossenen Weininteressenten die Einstellungzu Rotweinen nachhaltig zu verändern.

Wennschon, dennschon spitze

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Frisch, fromm, fröhlich! Dr. Wolfgang Hamm und Chef-ÖnologeChristian Schmidt vom Stift Klosterneuburg setzen auf St. Laurent. © Weingüter

"Wenn St. Laurent, dann im Premium-Segment",sagt Markus Klumpp. Er hat gut reden:Wir finden seinen St. Laurent auf den Kartenerstklassiger Restaurants wie dem VAU inBerlin, in dessen Küche Sternekoch Kolja Kleebergdas Zepter schwingt. Von leichten Trinkweinen(die so entstehen, wie der Herr dieSankt-Lorenz-Traube schuf) hält der Jungwinzernichts. Er setzt vielmehr auf richtige Arbeit,um aus dem Rebstock herauszuholen, wasdieser hergibt. Bis neu angelegte Parzellen denAnforderungen des Winzers genügen, müssendie Stöcke ein Alter von mindestens 15 Jahrenhaben. Die Erzeugung der Premiumweine beschränkt sich bei Klumpp daher vorläufig aufMaterial von den Reben, die der Vater vor20 Jahren gepflanzt hat. Der junge Chef desbadischen Gutes hat vor einigen Jahren in derWachau praktizier t. "Die Weine, die ich inÖsterreich probiert habe, haben mich angespornt.Wenn man sich in den St. Laurentrichtig ‚hineinkniet’, wird man auch belohnt."

Pinot noir hat bald wer …

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Familienbande in Baden - Winzerfamilie Klumppvor ihren besten Stücken. © Weingüter

In der Pfalz ist die Rebsorte erst seit 1982 wiederzum sor tenreinen Ausbau zugelassen.St. Laurent ist in Deutschland vor allem dort undin Rheinhessen stark, in Österreich ist die Thermenregionin der und um die Gemeinde Tattendorfstark vertreten - auch, was die Güte derWeine anbetrifft. Auch das Stiftsweingut Klosterneuburghat ja dort seine laurentinischenLagen. Heute sagt fast jeder: "Die Weine entstehenim Weinberg." Auf die Laurenzitraube trifftdas in hohem Maße zu. Kümmert man sich nichtum die Reben, verzichtet man auf Traubenhalbierung,Selektion und Grünlese, bekommt mandie Strafe in Form eines leichten Weinchensserviert. So etwas würde Philipp Kuhn, seinesZeichens Sieger beim deutschen Rotweinpreisin der Rubrik Spätburgunder, niemals akzeptieren.Der Pinot-Spezialist sieht den St. Laurent alsmutiertes Familienmitglied. Aber es läge ihmfern, ihn als "1B" abzustempeln. Für ihn ist die Sorte ein persönliches Steckenpferd. Er hat zwarnur einen halben Hektar St. Laurent und das istnicht viel, bei 22 ha Weinberg im Ertrag, aber erpflegt die Sorte, weil sie ihm Spaß macht, imAnbau und als Wein. "Kirschwein" sagt er undcharakterisiert damit etwas verknappt in einemWort die Typizität. "Feinfruchtiger, frischer, lebendigerund ein Tick mehr Säure als die Weine desSpätburgunders." Eher zufällig hat er so eineNische für Kunden geschaffen, die auf der Suchenach etwas Besonderem sind, etwas, das nichtjeder hat. Fühlt man sich schon bei den großenGewächsen, die Kuhn zu bieten hat, zu einemHofknicks verpflichtet, verneigt man sich tief vorseinem Sankt Laurent•