Junge wilde Brenner

Ein Artikel von Jürgen Schmücking | 08.03.2021 - 11:18

In Sachen Schnaps ist Österreich eine Weltmacht. Nein, damit ist natürlich nicht die Produktionsmenge gemeint. In Relation zum globalen Markt destillieren unsere Brennerinnen und Brenner eher homöopathische Dosen. Aber in Sachen Qualität sind wir Weltmeister. Kein anderes Land brennt so präzise, klare und vor allem so sortentypische Fruchtbrände wie Österreich. Analog zu dem, was die Winzer beim Wein zustande gebracht haben, könnte man glatt vom „österreichischen Schnapswunder“ sprechen. Unter den Leistungsträgern
dieser Entwicklung finden sich klingende Namen. Rochelt zum Beispiel. Oder Gölles, Reisetbauer, Wetter oder Kössler in Tirol. Und dass das auch so bleibt, hängt in erster Linie vom Nachwuchs ab. Wir haben uns vier junge
Brennereien im Land angesehen und sind mittlerweile überzeugt, dass wir uns keine Gedanken machen müssen. Österreich wird an der Spitze bleiben.

Im Westen noch mehr Neues: Michael Flunger

BildSelect_Flunger  -2.jpg

Die Liebe zum Brennen hat Michael Flunger schon vom Vater quasi in die Wiege gelegt bekommen. Seine Passion sind alte, selten gewordene Obstsorten. © Jürgen Schmücking / Michael Flunger

Zwei Autostunden östlich von Bizau liegt Mötz im Oberinntal. Die kleine Gemeinde ist eigentlich für nichts wirklich bekannt. Eine Wallfahrtskirche, ein paar kleine (aber schöne) Kapellen an den Wegen. Das ändert sich gerade. Im Moment baut Michael Flunger in Mötz gerade seine Schaubrennerei. Ein junger Edelbrenner auf Expansions- und Erfolgskurs. Wie im Fußball. Dem Hobby des aufstrebenden Destillateurs. Und beim Fußball kennt Michael Flunger keinen Spaß. Da ist er einer, den man auf Tirolerisch einen Zweihundertprozentigen nennt. „Wenn wir verlieren, des geht gar nit“, sagt der Spieler von der SPG Mieminger Plateau. Genau diese Motivation und dieser Drive ist auch beim Hochprozentigen zu spüren. Dabei ist Michael Flunger nicht nur ein wacher, innovativer Geist, er hat auch einen ausgeprägten Sinn für Tradition. Immerhin wurde die erste Brennerei vom Vater bereits in den 90er-Jahren erworben. Von einem Schwarzbrenner, dem die Finanzbehörde einen Strich durch die Rechnung machte und die Anlage „zwangsveräußern“ ließ, wie Flunger gern mit Augenzwinkern erzählt.

Im Ernst. Das eigentlich Traditionsbewusste kommt ganz wo anders zum Tragen. Michael Flunger beschäftigt sich gerne mit alten Sorten. Mit der Wahl’schen Schnapsbirne zum Beispiel. Das ist eine hellgelbe, kleine und eher rundliche Mostbirne, zum (genussvollen) Verzehr kaum geeignet, dafür aber umso spannender für Obstbrände. In der Sensorik wird der Wahl’schen Birne gerne mehr Tiefgang und Komplexität zugeschrieben als der feingliedrig-eleganten Williams. Was nicht wirklich verwundert, finden sich doch in der Wahl’schen Birne deutlich mehr Aromakomponenten als in der klassischen Williamsbirne. Flunger macht im wahren Wortsinn das Beste daraus. 2019 hat er drei Destillate bei der Destillata eingereicht und heimste gleich für alle drei Brände Auszeichnungen ein. Gold für die Wahl’sche Birne und den Spänlings-Brand, Bronze für seine Williams. 2020 ging es mit drei weiteren Spitzenplatzierungen weiter. Gold für den Wildwerk7-Gin, den Apfelweinbrand und die Isabella-Traube. Wobei Letzterer sogar Edelbrand des Jahres wurde. Man könnte sagen, der Hobby-Kicker und Profi-Brenner stürmt nach oben. Mit unübersehbarem Zug zum Tor. Dabei hat Flunger auch einen Coach und Mentor. Ulrich Zeni, selbst Brenner und Obstbauer, aber auch bei der Landwirtschaftskammer als Berater aller Tiroler Schnapsbrenner und Organisator der Diplomausbildung zum Edelbrandsommelier, steht ihm mit Rat und Know-how zur Seite. Anfangs. Jetzt ist das kaum noch notwendig. Was sich verändert hat, seit Michael Flunger das Ruder von seinem Vater übernahm: „Hat Bernhard Flunger die Maische früher oft noch bis nach Weihnachten stehen gelassen, brennt Michael etwa schon zwei bis drei Wochen, nachdem er sie angesetzt hat. Mit der Wahl des Brenn-Zeitpunkts steht und fällt die Qualität des Schnapses“, so Zeni. Im Moment ist in Mötz Baustelle. An der Stelle entsteht gerade die Schaubrennerei, die sich der 36-Jährige in den Kopf gesetzt hat. Gebrannt wird in der Zwischenzeit bei der Freundin in Gnadenwald. Quasi Family Business.

GENUSS.Info

Teil 3 finden Sie hier: David Gölles.
Zum Lesen von Teil 1 (Bartholomäus Fink), klicken Sie hier.
Den gesamten Artikel finden Sie gleich im GENUSS.Magazin 08/2020.