Eine vertikale Zeitreise

Ein Artikel von Karin Vratny | 24.04.2023 - 11:33
shutterstock_New_Afrika.jpg

© Shutterstock, New Afrika

Jeder richtige Moment in der Weinwerdung bewirkt Positives. Ein zu lang hinausgezögerter oder zu kurz gewählter Zeitabschnitt in der Weinwerdung kann jedoch die Qualität mindern. Jedes Wein-Leben hat einen Anfang und ein Ende. Dazwischen blüht die Zeit der Kindheit, strotzt die Zeit der Jugend, schwelgt die Zeit des Erwachsenseins und glänzt die Spanne des Höhepunkts und seiner Bestform. Die Phase der reifen Schönheit und die Zeit des Ausklingens bis hin zum Finale bergen so manch erstaunliche Weinerlebnisse in sich.

Die Vertikale
Ist eine Zeitschau der Weine, die es ermöglicht, zu entdecken, in welche Richtung sich die Weine im Laufe der Zeit entwickeln. Bereits nach ein paar Minuten im Glas kann es zu Veränderungen der sensorischen Wahrnehmung kommen, denn Luft lässt Weine atmen und reagieren.
Die Vorgabe dieser Vertikale war, einen Wein aus drei verschiedenen Jahrgängen ab dem Jahr 2010 auszuwählen. Es war eine wunderbare und spannende Verkostung, bei der all die Phasen des Wein-Lebens zum Vorschein kamen. Das Niveau war hoch: Danke an alle Winzerinnen und Winzer, die diese Verkostung zu einem Erlebnis machten! Die ungestüme Jugend, das reife Alter, der Höhepunkt der Kraft und die Schönheit der langsamen Reife wurden wunderbar sichtbar und erkundbar!

Das Heranwachsen
Der Weingarten ist sozusagen das Babybett des Weins. Hier erblicken die im wahrsten Sinne jungen Sprösslinge auf den Trieben der Rebe das Licht der Welt. Sie atmen und sonnen sich, sie wachsen und recken sich, sie erblühen und werden im Laufe des Weinjahres zu wunderbar reifen und lesebereiten Trauben. Das Jahr im Weingarten bereitet alles auf den perfekten Lesezeitpunkt vor. Eine gute Koordination der Abläufe ist wesentlich, um perfektes Traubenmaterial zu erhalten.

Die ungestüme Jugend
Wenn es in den Weinkellern gärt, beginnt die ungestüme Jugend des Weins. Sie verlangt den Kellermeistern einiges an Zeitmanagement ab, denn es ist von allergrößtem Nutzen, zur richtigen Zeit die richtigen Schritte zu setzen. Junger roter Wein zeigt sich dem Verkoster meist frech, frisch und ungeniert, mit all seinen Kanten und Ecken. Manche Rebsorten benötigen wenig Zeit, andere wiederum viel Zeit, um sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Die Frische und Jugendlichkeit in einem Wein kann lebendige Freude bereiten, wenn das Gesamtbild harmonisch ist.

Das Erwachsenwerden eines Weins
Gerade bei komplexen Rotweinen hat das gesamte Terroir wie Boden, Klima, Alter der Rebstöcke, Winzer, Lage und Ausbau Anteil am Gelingen des Gesamtergebnisses. Je klarer die Einzelheiten herausgearbeitet wurden, umso komplexer ist der Wein. Tannine aus den Traubenschalen bringen Langlebigkeit und Struktur. Durch die richtige Lagerung im Fass und später auch in der Flasche werden die Weine runder und zugänglicher. Säure bereitet dem Wein eine längere Vitalität, Zerfallsprozesse werden hinausgezögert und der Alkoholgehalt ist ein gutes Konservierungsmittel und kann die Trinkreife verlängern. Alle Faktoren hängen zusammen.

Das kostbare Trinkfenster
Ist die Zeitspanne, in der die Weine ihren Höhepunkt an Trinkreife haben.Diese ist ein dehnbarer Begriff, man kann keine Faustformel aufstellen. Rebsorten mit kräftiger Säure, guten Tanninen und sorgfältiger Verarbeitung zum richtigen Zeitpunkt haben eine längere Zeitspanne vor sich als Weine, die allzu rasch entstehen, nur um auf den Markt gebracht zu werden; Klasse vor Masse!

Reife Weine – Älterwerden mit Stil
Schon am deutlich helleren Farbton, einer breiteren Randaufhellung und einem Rotton, der leicht bräunliche Akzentuierungen aufweist, kann man ältere Exemplare von jungem, meist lilafarbenem Wein unterscheiden. Sanftere Tannine und weniger Kanten und Ecken bringen ein reiferes Stadium zum Vorschein. Die Phase, in welcher alle Primärnoten aus dem sensorischen Bild verschwunden sind oder sich nur mehr erahnen lassen, weicht nun der Zeit für die Entwicklung der Sekundär- und neuer Tertiäraromen. Primäraromen finden sich am deutlichsten bei jungen Weinen und Rotweinen aus dem Stahltank. Natürlich nimmt die Rebsorte selbst einen großen Anteil an dieser fruchtigen und blumigen Sensorik ein. Sekundäraromen zeigen sich durch den Vorgang der Weinreife selbst – insbesondere dann, wenn der Wein in großem oder kleinem Holz ausgebaut wird und/oder ein biologischer Säureabbau vorangegangen ist. Tertiäraromen wiederum sind die klassischen Alterungstöne. Fruchtnoten werden zu Dörrfruchtnoten, Schokolade und Nougat kommen zum Vorschein, Leder und Tabak machen Weine zu edlen Verführern und begeistern so manchen Weinliebhaber. Es ist schön, wenn man Rotweinen, die mit Geduld und Behutsamkeit vinifiziert wurden, auch den nötigen Respekt erweist. Allzu große Ungeduld bringt oft nur einen Bruchteil dessen zum Vorschein.

Die Besten der Besten - Reinsortig Rot

Österreich 5 Gläser

Feiler-Artinger, Rust, Rust 

Bewertungsdurchschnitt: Ø 96 P. – WELTKLASSE!
95 P.
2019 Blaufränkisch Solitaire, Bgld. € 36,–
96 P. 2018 Blaufränkisch Solitaire, Bgld. € 33,50
96 P. 2011 Solitaire (BF, ME, CS), Bgld. € 42,–

Weingut Tesch, Neckenmarkt, Mittelburgenland
Bewertungsdurchschnitt: Ø 95 P. – WELTKLASSE!
94 P.
2017 Blaufränkisch Patriot, Bgld. € 67,–
95 P. 2015 Blaufränkisch Patriot, Bgld. € 67,–
95 P. 2013 Blaufränkisch Patriot, Bgld. € 67,–

Die Besten der Besten - Cuvée Rot

Österreich 5 Gläser

Weingut Kollwentz Römerhof, Großhöflein, Leithaberg 
Bewertungsdurchschnitt: Ø 96 P. – WELTKLASSE!
95 P.
2017 Steinzeiler (BF, CS, ZW), Bgld. € 60,–
96 P. 2016 Steinzeiler (BF, CS, ZW), Bgld. € 62,–
96 P. 2015 Steinzeiler (BF, CS, ZW), Bgld. € 64,–

Heribert Bayer – In Signo Leonis, Neckenmarkt, Mittelburgenland Bewertungsdurchschnitt: Ø 95 P. – WELTKLASSE!
94 P.
2019 In Signo Leonis (BF, ZW, CS), Bgld. € 39,90
95 P. 2017 In Signo Leonis (BF, ZW, CS), Bgld. € 34,80
95 P. 2015 In Signo Leonis (BF, ZW, CS), Bgld. € 41,90