Etwa 200 Hektar Wein gibt es aktuell in der Weinbauregion Bergland, die Kärnten, Oberösterreich, Tirol, Vorarlberg und Salzburg umfasst. Das ist nicht viel. Auch wenn die Rebflächen kontinuierlich wachsen, bleiben Bergland-Weine echte Raritäten, die oft nur im Ab-Hof-Verkauf oder in der lokalen Gastronomie zu haben sind. Umso mehr Spaß macht eine als Verkostung angelegte Entdeckungsreise in die klimatischen Grenzlagen des österreichischen Weinbaus.
2.000 Jahre Kärntner Wein
„Es wächst daselbst, weil es etwas kalt Land ist, kein Wein“, schrieb der Chronist und Reisende Johann Jakob Fugger im Jahr 1668, wie Thomas Zeloth in seinem 2018 erschienenen Buch „2.000 Jahre Weinbau in Kärnten“ vermerkt und gleichzeitig Fuggers Irrtum aufdeckt. Zwar war die Blütezeit des Kärntner Weinbaus, das 16. Jahrhundert, schon vorbei, doch gab es nach wie vor zahlreiche Weingärten bei Wolfsberg im Lavanttal sowie im Jauntal. Allerdings dürfte die Qualität der Weine nicht immer überzeugt haben, denn Aufzeichnungen von vor etwa 200 Jahren erwähnen wiederholt „nur einen sauren schlechten Wein“ oder ein „nur sehr schlechtes Gewächs“. Legenden zufolge pflegte der Mesner der Kirche in Sittersdorf um Mitternacht die Kirchenglocken zu läuten, um die Einwohner daran zu erinnern, sich beim Schlafen auf die andere Seite zu drehen, damit die Säure des Weins nicht zu sehr die Magenwände angreift!
Blütezeit und Niedergang
Dass die Kärntner ihre Weinberge dennoch ernsthaft bewirtschafteten und wahrscheinlich schon die Römer dort Weinstöcke pflanzten, beweisen historische Quellen. Für die Blüte im 16. Jahrhundert geht man von einer Gesamtrebfläche zwischen 750 und 1.000 Hektar aus. Weinbauzentren waren das Lavanttal und das Jauntal, aber auch im nördlichen Klagenfurter Becken, bei Launsdorf, Thalsdorf und St. Georgen am Längsee sowie in Oberkärnten bei Millstatt gab es verbreitet Rebflächen. Eine gängige Sorte soll damals der Blaue Wildbacher gewesen sein, und im Lavanttal dürfte es auch dem Heunisch verwandte Weißweinsorten gegeben haben.
Als im 18. Jahrhundert einerseits die Zölle für Importweine fielen, andererseits der Wein höher besteuert wurde, verlor der Weinbau in Kärnten rasch an Bedeutung. Im Jahr 1788 war die Rebfläche auf 130 Hektar gesunken, 1830 betrug sie nur noch 66 Hektar. Schließlich fielen gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Weinstöcke dem Falschen Mehltau zum Opfer und der Kärntner Weinbau kam fast zum Stillstand.
Wos woxtn do?
Als „Erfinder des modernen Kärntner Weinbaus“ gilt Herbert Gartner, der aus dem burgenländischen Illmitz stammend 1972 den ersten Weingarten in St. Andrä im Lavanttal pflanzte. Erst im Jahr 2003 wurde der Kärntner Weinbauverband gegründet und 2006 das Weinbaulandesgesetz verabschiedet. Heute kommt „Wein aus Kärnten“ unter dem Slogan „Do woxt wos“ auf den Markt und wo einst Weinfreunde hobbymäßig die ersten Reben pflanzten, hat ein Trend zur Professionalisierung eingesetzt. So erlebt der Weinbau im Lavanttal und in St. Veit an der Glan mit dem Längsee, wie auch im Gebiet um die Burg Hochosterwitz, bei Feldkirchen und nahe Klagenfurt eine Renaissance. Die weißen Burgundersorten und Sauvignon Blanc gelten als Kärntner Leitsorten, dazu kommen vor allem Riesling, Traminer, Zweigelt, Blauburgunder, ein wenig Muskateller und Gemischter Satz. Nach einer Phase der Pionierarbeit durch die Hobbywinzer folgt nun eine Phase der Etablierung größerer Weingüter, auch im Vollerwerb.
Trendgebiet Oberösterreich
Weinberg, Weinzierl, Weinfeld, Weingartler oder Weinbergleiten – vom oberen Mühlviertel bis weit ins Innviertel und sogar im Salzkammergut gibt es viele alte Orts-, Haus- und Flurnamen, die darauf hinweisen, dass auch in Oberösterreich einst nennenswert Wein kultiviert wurde.
Nach seinem Niedergang im 19. Jahrhundert war der Weinbau lange Zeit passé, doch nun ist der Trend zum Weinbau wieder voll da. Höhere Temperaturen, längere Schönwetterperioden, früherer Beginn der Vegetation – der oberösterreichische Weinbau kann derzeit von der Klimakrise profitieren und kehrt damit in jene Regionen zurück, wo es noch im späten Mittelalter Weingärten gab. Oberösterreichs Weinbauverband-Präsident Karl Eugen Velechovsky vom Nussböckgut in Leonding erklärt: „Oberösterreich bietet sich vor allem für Rebsorten, die es nicht ganz so warm und kontinental brauchen, als optimaler Standort an. Wir besitzen beispielsweise interessante Lagen entlang der Donau, bei denen das milde Klima des Donauraums auf die kühlen Strömungen aus dem Mühlviertel trifft.“
An die 80 Hektar Reben liegen heute an den sonnigen Standorten des Donautals, des Machlands, des Linzer Gaumbergs, am Rand des Eferdinger Beckens, im oberösterreichischen Zentralraum, im hügeligen Innviertel, in luftigen Lagen des Mühlviertels und auch im Süden des Salzkammerguts. Etwa 40 Produzenten keltern vorwiegend fruchtig-frische Weißweine, zum Beispiel Grünen Veltliner, Chardonnay oder Weißburgunder, im Fokus stehen aber auch der rote Zweigelt und die widerstandsfähige PIWI-Sorte Roesler.
Im rauen Westen
Die klimatischen Veränderungen nutzen auch dem Weinbau in Nordtirol. Seit einigen Jahren gibt es ein paar sehr aktive Winzer im Tiroler Oberland – das ist der Westteil des Landes. Ein Hotspot ist der Bezirk Imst mit den Orten Haiming, Tarrenz und Silz. Aber auch in Telfs, Innsbruck und im Zillertal wurden Reben gepflanzt. So schätzt man die Gesamtfläche heute auf etwa 15 Hektar – mit vorwiegend Burgundersorten, speziell Chardonnay und Blauburgunder. In Tirol reifen die Trauben generell drei bis vier Wochen später als zum Beispiel in Niederösterreich. Die lange Reifezeit und die großen Tag-Nacht-Temperaturunterschiede tragen viel zur Aromaausprägung bei. Mit viel Leidenschaft und großem Einsatz erzeugen die Nordtiroler Winzer erfreulich hohe Weinqualitäten.
Fast ebenso unbekannt wie Wein aus Tirol ist Wein aus Vorarlberg. Um 1850 gab es laut Schätzungen 400 bis 500 Hektar Weingärten im Ländle, vor allem im Walgau und im Rheintal. Durch die Reblauskrise und die Konkurrenz des Südtiroler Weins nach dem Bau der Arlbergbahn verschwanden sie fast völlig, heute stehen wieder an die 20 Hektar unter Reben. Tendenz steigend.
Trophysieger Weiß: Weingut Burg Taggenbrunn, St. Veit an der Glan, Kärnten
92 P. | 2015 Chardonnay Reserve | € 17,50
Die Burg Taggenbrunn und das große Areal rundherum kauften 2011 die Uhrenhersteller Andrea und Alfred Riedl (Jacques Lemans). Damit war der Grundstein für Weinanbau in großem Stil gelegt. Ein Weingut mit 40 Hektar Rebfläche, ein Hotel, ein Heurigenrestaurant sowie großzügige Veranstaltungsräume gehören heute zur Burg Taggenbrunn. Verantwortlich für die Weine ist Hubert Vittori.
Unsere Fragen an Hubert Vittori, Winzer und Kellermeister auf Taggenbrunn:
#1 Erzählen Sie uns bitte etwas zur Chardonnay Reserve 2015!
Einen großen Teil der Taggenbrunner Weingärten haben wir ja erst vor einigen Jahren ausgepflanzt, aber die Trauben für diesen Chardonnay stammen von unseren älteren Reben. Da der Jahrgang 2015 hochreife Trauben lieferte, entschieden wir, diesen Wein ins Holz zu legen. Die Reserve reifte zwei Jahre – zum Teil in Barriquefässern, zum Teil im Großen Holz.
#2 Was sehen Sie als größte Herausforderung für den Weinbau in Kärnten?
Herausfordernd bleiben auf jeden Fall das Klima und das Wetter. Wir wissen heute, dass Top-Qualität möglich ist, denn das Klima hat sich verändert. Dieses Jahr aber hatten wir einen verregneten Sommer und die Traubenreife hinkte weit hinterher. Auch die Wahrnehmung von Kärntner Wein gilt es zu verbessern, besonders in Kärnten selbst. In Wien sind unsere Weine bereits im Handel und in der Gastronomie vertreten.
Trophysieger Rot: Weinbau Zoller-Saumwald, Haiming, Tirol
91 P. | 2018 Pinot Noir | € 21,–
Die Landschaft in Haiming, etwa 40 Kilometer westlich von Innsbruck, wird geprägt vom bis 2.370 Meter aufragenden Tschirgant-Massiv. In steilen Lagen ab 660 Meter Seehöhe bearbeiten Peter Zoller und Elisabeth Saumwald im kühlen Klima Nordtirols 1,7 Hektar Reben. Auf den Kalkböden entsteht nicht nur eleganter Cool-Climate-Pinot-Noir, sondern auch straff-mineralischer Chardonnay und kühler, knackiger Sauvignon Blanc. Peter Zoller, der seine ersten Reben vor fast 20 Jahren ausgepflanzt hat, ist auch Obmann des Tiroler Weinbauverbands.
Unsere Fragen an Peter Zoller, Winzer in Haiming:
#1 Was können Sie uns zum Pinot Noir 2018 erzählen?
Unser Pinot Noir stammt von den Lagen „Kirchenriese“ und „Reitschule“ in Haiming. Die steilen Südlagen liegen am Fuß des Tschirgantmassivs. Der Boden ist ein leicht erwärmbarer, lockerer und durchlässiger Schotter-Kalkboden, durchzogen mit Muschelkalkablagerungen. Für den Jahrgang 2018 brachten der trockene Sommer und der wunderbar lange, warme Herbst perfekte Bedingungen. Am 3. Oktober haben wir die Trauben gelesen, bei einem Ertrag von maximal 0,7 Kilogramm pro Rebstock. Die Gärung erfolgte in stehenden, oben offenen Barriquefässern. Für den Weinausbau haben wir neue und gebrauchte Barriquefässer aus Burgund verwendet.
#2 Was sehen Sie als größte Herausforderung für den Tiroler Weinbau?
Derzeit hat Tirol noch ein Imageproblem. Aber das Vorurteil, dass Weine aus den kühlen Bergen Tirols keine gute Qualität bringen, konnte schon oft bei Blindverkostungen widerlegt werden. In Wahrheit gibt es einige Rebsorten, die genau in diesem Cool-Climate-Gebiet die besten Ergebnisse bringen – siehe etwa Pinot Noir mit Frucht und Eleganz. Trotz fehlendem Bekanntheitsgrad sind die Tiroler Weine ein sehr begehrtes Nischenprodukt und entsprechend nachgefragt.
Die GENUSS.Kostjury
Verkostungsleiterin: DI Daniela Dejnega, Weinakademikerin
VerkosterInnen: Alexander Lupersböck, GENUSS.Chefredakteur-Stv. und Weinakademiker, Siegfried Resch, MA, Winzer im Traisental