Landwirtschaftliche Geschichte

Vergessene Schätze auf dem Teller

Ein Artikel von Denise Wachschütz | 12.05.2025 - 08:52
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© Olga Bondas/Shutterstock.com

Supermärkte bieten eine scheinbar endlose Auswahl an makellosem, genormtem Obst und Gemüse an. Der aktuelle Trend zu Nachhaltigkeit, Regionalität und authentischem Geschmack führt dazu, dass immer mehr Menschen alte Gemüsesorten neu entdecken. Farbenfrohe Varianten wie lila Kartoffeln und bunte Karotten erleben eine verdiente Renaissance – nicht nur, weil sie optisch faszinieren, sondern weil sie geschmacklich, gesundheitlich und ökologisch einiges zu bieten haben.

Was sind alte Gemüsesorten?

Auch als historische, traditionelle oder regionale Sorten bezeichnet – sind das Kultursorten, die über viele Generationen hinweg angebaut und weitergegeben wurden. Im Gegensatz zu modernen Hybridpflanzen, die auf maximale Erträge, Transportfähigkeit und einheitliches Aussehen gezüchtet werden, bestechen alte Sorten durch geschmackliche Vielfalt, Robustheit und eine besondere Anpassungsfähigkeit an regionale Bedingungen.

Viele dieser Sorten sind jedoch im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten verschwunden. Die Konzentration auf wenige, ertragreiche Sorten hat zu einem dramatischen Verlust an genetischer Vielfalt geführt. Glücklicherweise setzen sich Initiativen wie Slow Food, Saatgutbanken, Biohöfe und passionierte Hobbygärtner dafür ein, dieses wertvolle Erbe zu erhalten – mit wachsendem Erfolg.

Lila Kartoffeln - bunt, gesund und traditionsreich

Eine der spektakulärsten Vertreterinnen alter Gemüsesorten ist die lila Kartoffel. Sorten wie Blauer Schwede, Vitelotte oder Blauer St. Galler ziehen mit ihrer intensiven Farbe sofort die Aufmerksamkeit auf sich. Die tiefviolette Tönung verdanken sie den sogenannten Anthocyanen – natürlichen Pflanzenfarbstoffen, die auch in Blaubeeren vorkommen und für ihre antioxidative Wirkung bekannt sind. Studien zeigen, dass Anthocyane entzündungshemmend wirken, die Zellen vor freien Radikalen schützen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken können.

Auch geschmacklich bieten lila Kartoffeln eine spannende Alternative: Ihr Aroma ist oft kräftiger, mit leicht nussigen oder erdigen Noten. In der Küche sind sie vielseitig einsetzbar – ob als farbenfroher Kartoffelsalat, violettes Püree oder als knusprige Ofenkartoffel – sie machen nicht nur geschmacklich, sondern auch optisch Eindruck.

Karotten in allen Farben des Regenbogens

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© Carey Jaman/Shutterstock.com

Während wir heute meist orange Karotten gewohnt sind, war das ursprünglich keineswegs die Norm. Die Urkarotten aus Zentralasien waren weiß, violett oder gelb. Erst im 17. Jahrhundert wurde in den Niederlanden die heute bekannte orangefarbene Karotte als Hommage an das Königshaus von Oranien gezüchtet – und setzte sich rasch durch.

Doch alte Sorten wie Purple Haze (violett mit orangefarbenem Kern), Yellowstone (zartgelb) oder Weiße Küttiger (weiß, aus der Schweiz) zeigen, wie farbenfroh und vielfältig Karotten wirklich sein können. Neben der Optik bringt jede Farbe auch eigene gesundheitliche Vorzüge mit sich: Violette Karotten enthalten – wie lila Kartoffeln – Anthocyane, gelbe Sorten sind reich an Lutein, das eine wichtige Rolle für die Augengesundheit spielt, und orange Karotten punkten mit ihrem bekannten Beta-Carotin, das im Körper zu Vitamin A umgewandelt wird.

Warum der Anbau alter Sorten wichtig ist

Alte Gemüsesorten sind ein bedeutender Bestandteil unserer landwirtschaftlichen und kulturellen Biodiversität. Ihre genetische Vielfalt ist ein wertvolles Reservoir für zukünftige Züchtungen – insbesondere in Zeiten des Klimawandels. Viele traditionelle Sorten sind widerstandsfähiger gegenüber regionalen Schädlingen und Krankheiten, kommen mit weniger Wasser oder Nährstoffen aus und sind besser an extreme Wetterbedingungen angepasst.

Auch in ökologischer Hinsicht sind sie von Vorteil: Durch ihre Robustheit benötigen sie oft weniger Pestizide und Kunstdünger, was Böden und Grundwasser schont. Gleichzeitig leisten sie einen Beitrag zur Geschmacksvielfalt und bieten Konsument*innen neue kulinarische Erfahrungen, die moderne Einheitssorten oft nicht mehr ermöglichen.

Nicht zuletzt erzählen alte Sorten Geschichten: Sie sind eng mit Regionen, Traditionen und Familien verbunden – lebendige Zeugen vergangener Zeiten, die durch ihren Erhalt ein Stück kulturelles Gedächtnis bewahren.