Faktencheck

Stimmt es, dass Rohkost gesünder ist?

Ein Artikel von Denise Wachschütz | 08.05.2025 - 09:29
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© Anggalih Prasetya/Shutterstock.com

„Roh ist besser“ – dieser Gedanke hält sich hartnäckig in vielen Köpfen. Die Vorstellung: Rohkost sei naturbelassener, vitaminreicher und deshalb grundsätzlich gesünder als gekochte Lebensmittel. Der Grundgedanke ist nicht falsch: Beim Kochen können tatsächlich hitzeempfindliche Vitamine wie Vitamin C oder Folsäure teilweise zerstört werden. Aber daraus zu schließen, dass Rohkost immer die bessere Wahl ist, greift zu kurz. Denn Kochen verändert nicht nur Nährstoffe – es kann sie auch verbessern, leichter verfügbar machen oder sogar schädliche Stoffe abbauen.

Was beim Kochen wirklich passiert

Beim Erhitzen von Lebensmitteln verändert sich deren chemische Struktur. Das betrifft vor allem Vitamine, aber auch sekundäre Pflanzenstoffe, Eiweiße und Enzyme. Einige dieser Stoffe werden durch Hitze abgebaut – andere dagegen erst richtig aktiv oder für den Körper besser verwertbar. Das sogenannte Maß der „Bioverfügbarkeit“ spielt hier eine große Rolle: Nicht alles, was in einem Lebensmittel enthalten ist, kann der Körper im rohen Zustand optimal aufnehmen.

Ein gutes Beispiel ist Lycopin, ein starkes Antioxidans in Tomaten. Studien zeigen, dass Lycopin durch Erhitzen deutlich besser verfügbar wird – wer also Tomatensauce oder -suppe isst, nimmt mehr davon auf als beim Verzehr roher Tomaten. Ähnlich ist es mit Beta-Carotin, dem orangefarbenen Pflanzenfarbstoff in Karotten, der vom Körper in Vitamin A umgewandelt wird. Gegarte Karotten in Verbindung mit etwas Fett liefern deutlich mehr verwertbares Beta-Carotin als rohe Möhren.

Schutz durch Erhitzen

Kochen hat aber nicht nur Vorteile für die Nährstoffaufnahme – es schützt auch vor natürlichen Abwehrstoffen, die manche Pflanzen enthalten. So enthalten etwa Spinat, Rhabarber und Mangold Oxalsäure, die die Aufnahme von Kalzium hemmen kann. Beim Kochen wird der Oxalsäuregehalt deutlich reduziert, was das Lebensmittel besser verträglich macht.

Auch Hülsenfrüchte wie Bohnen und Linsen sowie Kartoffeln enthalten Stoffe wie Lektine oder Solanin, die roh giftig sein können. Ohne Erhitzen wären sie für uns ungenießbar – erst durch Kochen werden sie sicher und bekömmlich.

Rohkost bleibt wertvoll

Trotz aller Vorteile des Kochens ist Rohkost natürlich nicht „schlecht“ – ganz im Gegenteil. Frisches, rohes Obst und Gemüse liefern viele Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe und Enzyme, die bei hohen Temperaturen abgebaut würden. Auch der hohe Wasser- und Ballaststoffgehalt wirkt sich positiv auf Sättigung, Verdauung und Kalorienbilanz aus. Für viele ist Rohkost zudem ein guter Weg, mehr frische und unverarbeitete Lebensmittel in die Ernährung zu integrieren.

Problematisch wird es aber, wenn man sich ausschließlich roh ernährt – wie es manche „Raw Food“-Trends propagieren. Eine rein rohe Ernährung kann langfristig zu einem Mangel an wichtigen Nährstoffen führen, darunter Eisen, Zink, Eiweiß und insbesondere Vitamin B12, das fast ausschließlich in tierischen Produkten vorkommt. Auch die Verdauung kann bei sehr hohem Rohkostanteil überfordert sein – Blähungen und Unwohlsein sind keine Seltenheit.