Blut des Planeten

Ein Artikel von Gai Jeger | 10.07.2019 - 17:00
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Das Wasser ist zum Lebenssaft dieser trockenen Erde bestimmt. Man findet das Wasser bald sauer, bald scharf, bald herb und bald bitter, bald süß, bald dick oder dünn, bald schädlich oder verderblich, bald heilsam oder giftig“, schrieb dereinst Leonardo da Vinci, der sich Zeit seines Lebens vom „Blutdes Planeten“, wie er Wasser bezeichnete, fasziniert zeigte. Dass das Leben flüssig ist, haben auch andere große Geister ihrer Zeit erkannt. Goethe formulierte es so: „Alles ist aus dem Wasser entsprungen, alles wird durch das Wasser erhalten.“ Die Vorstellung eines Urwassers, das vor der Entstehung der Welt existiert haben soll, finden wir nicht nur im alten Ägypten und der griechische Philosoph Thales aus Milet behauptete gar, Ursprung und Ende des Alls sei das Wasser, denn aus Wasser – sei es in festem, in flüssigem Zustand – bestehe das Universum und es schwebe auf dem Wasser. Wasser ist elementar, keine Frage. Wir können viele Tage ohne Nahrung bestehen, aber wenn unserem Körper keine Flüssigkeit zugeführt wird, bleiben uns nur zwei bis vier davon, dann bricht der menschliche Organismus zusammen. Obwohl ein erwachsener Mensch zu rund 65 Prozent aus Wasser besteht, verfügt er über keinerlei Reservoirs, auf die im Falle einer Austrocknung autark zurückgegriffen werden könnte. Im Schnitt benötigen wir daher rund zweieinhalb Liter Wasser pro Tag, die wir über Nahrung oder Getränke aufnehmen müssen, um gesund und munter zu bleiben.

Wasser aus der Tiefe

Um dieser Flüssigkeitszufuhr genüge zu tun, können wir auf verschiedene Optionen zurückgreifen. Eine davon ist jene, sich vom Wasser aus der Tiefe zu laben. In unseren Breiten verfügen wir über ein Wasserpotenzial, das es nicht überall auf dem Erdball gibt. Natürliches Mineralwasser beispielsweise entsteht in einem lange währenden Prozess. Jedes Mineralwasser ist einzigartig – je nach Region, nach Entstehungsart.

Im Prinzip entsteht es aus Regenwasser. Dieses dringt in den Boden ein, sickert durch verschiedene Gesteinsschichten und sammelt sich schließlich weit unterhalb des Grundwassers in wasserführenden Schichten. Dort bleibt es von äußeren Einflüssen und Verunreinigungen weitgehend geschützt. Manche Wässer benötigen zum Durchfließen solcher Erdschichten ein paar Jahrzehnte, andere wiederum gar Jahrhunderte. Auf diesem Weg in das Innere der Erde reinigt sich das Wasser über die Gesteine, die es überfließt. Es reichert sich mit Mineralstoffen an und wird – vor allem in vulkanischen Gebieten – oft mit natürlicher Kohlensäure ausgestattet.

Laut Lebensmittelkodex stammt natürliches Mineralwasser aus einem unterirdischen, vor jeglicher Verunreinigung geschützten Wasservorkommen, das von ursprünglicher Reinheit ist und dessen Eigenart im gleichbleibenden Gehalt der charakteristischen Merkmale besteht. So haben beispielsweise Geologen in den Tiefen einer kanadischen Kupfermine das bisher älteste Mineralwasser der Erde entdeckt. Auf bis zu 2,6 Milliarden Jahre vor unserer Zeit lässt sich der Einschluss dieser Flüssigkeit datieren. Damals haben sich – unserer Zeitrechnung gemäß – gerade die ersten Spuren von Leben in Form von Einzellern auf der Erde entwickelt.

Mineralwasser mit Breitenwirkung

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Als erfrischende Kehlenbefeuchter stand Mineralwasser bereits bei den Römern und Germanen hoch im Kurs. Als Bade- und Trinkkur wurde das köstliche Nass im Mittelalter gern genossen. Damals schon beschäftigten sich Gelehrte und Mediziner mit der Wirkung der unterschiedlichen Wässer, die aus den Tiefen heraufbefördert wurden. Im 17. Jahrhundert konnte Mineralwasser in versiegelten Füllkörben oder Tonkrügen auch weitere Strecken ohne Schaden überstehen, also ohne die natürliche Kohlensäure zu verlieren.

Allerdings war das Wasser mit Mehrwert nach wie vor eher den oberen Schichten vorbehalten. Erst im 19. Jahrhundert, als neue Techniken der Abfüllung und des Versands ins Spiel kamen, wurde Mineralwasser auch für die mehrheitliche Bevölkerung zugänglich. In unseren Tagen bedeutet das Trinken von Mineralwasser nicht nur Zuführung von Flüssigkeit, sondern kommt auch einem gesteigerten Gesundheitsbewusstsein und besseren Umgang mit dem Körper gelegen.

Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von durchschnittlichen 90 Litern pro Jahr liegt Österreich im guten europäischen Mittel. Unsere deutschen Nachbarn trinken pro Kopf etwa 130 Liter Mineralwasser pro Jahr, Spitzenreiter ist Italien mit rund 200 Litern.
Natürliches Mineralwasser ist der ideale Lieferant für lebensnotwendige Mineralstoffe, so eine Studie zum Thema Bioverfügbarkeit, die am Institut für Medizinische Physiologie der Universität Wien durchgeführt wurde. Natürliches Mineralwasser stellt dem Organismus seinen jeweiligen Mineralstoffgehalt fast zur Gänze zur Verfügung– ähnlich wie Milch. Allerdings wurde diese Studie nur auf Calcium und Magnesium ausgelegt.

Mineralwasser in der Küche

Die prickelnde Eigenschaft, die Mineralwasser in der Küche zum Ausdruck bringt, war schon unseren Altvorderen bekannt. Viele große Köche schwören auf Mineralwasser in der Küche. Kohlensäure wirkt bei Teig- und Backwaren als Triebmittel, kann Backpulver ersetzen, sodass der Teig sich lockerer entwickelt. Bei Rührei oder Kartoffelpüree verhält es sich ähnlich. Wird Gemüse in Mineralwasser gekocht, behält es seine Farbe und sein Aroma.

So mancher Koch behauptet sogar, dass geschnittenes Gemüse in Mineralwasser schneller durch ist. Einer der Küchendoyens Deutschlands, Carsten Dorhs, besteht quasi auf Mineralwasser im Kochprozess. Damit lassen sich Fette ersetzen oder Geschmäcker verfeinern, so sein Credo. Der Lebenssaft dieser trockenen Erde – er kann sauer sein, scharf, herb oder bitter. Es ist der Saft, der das Leben macht. Das trefflich formulierte „Blut des Planeten“ ist so vielschichtig wie die Erde selbst, wie die Menschen, die auf ihr leben. Wir haben das wunderbare Glück, dass wir so viel davon kosten können.