Craftvolle Biere

Ein Artikel von Kristina Lutilsky, Candy Sierks, Sandra Ganzenmüller | 03.05.2015 - 22:17
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© Cindy Sierks

Ausverkauft bis auf den letzten Platz war in diesem Jahr das Braukunst Live! Festival. Bierliebhaber, Branchenkenner und Interessierte pilgerten am Wochenende vom 6. bis zum 8. März ins Münchner MVG-Museum. Über 9.000 Besucher füllten die Halle, über 100 Aussteller deren Gläser. Am Ende waren die Gäste glücklich und voll – mit neuen Eindrücken, überraschenden Geschmackserlebnissen und ja, ein wenig Alkohol war auch dabei.

Vom Klassentreffen zum klasse Treffen

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© Kristina Lutilsky

Für Veranstalter und geistigen Vater Frank-Michael Böer war das vierte Braukunst Live! der größte Erfolg seit Bestehendes Events. Was 2011 als eine Art Klassentreffen der eingeschworenen Bierszene begann, wird zunehmend zum Ausflugsziel des gemeinen Volkes. „Leidenschaft, Qualität und Klasse“ stehen für ihn über der aktuellen Bierbewegung in Deutschland, wobei Bierkultur für ihn keine Frage des Reinheitsgebotes ist. Es biete eine unendliche Vielzahl an Kreativität, die zu seiner Freude in den letzten fünf Jahren durch die Craft Beer- Strömung aus Amerika wieder entfacht wurde.

Beweis genug waren die zahlreichen Bierspezialitäten, die vor Ort geboten wurden. Kleine regionale Brauereien standen auf Augenhöhe neben den Großen und Internationalen – alle mit dem Anspruch, besondere, handwerklich und kreativeingebraute Biere zu präsentieren, die sogenannten Craft Biere. Während Kennern der Bierszene der Titel „Craft“ schon fast abgenutzt erscheint, ist er für die Mehrheit immer noch unbekannt. Viele der Besucher hatten zuvor noch nie von einem IPA oder einem Rauchbier gehört. Wenn auch Sie an dieser Stelle ein Fragezeichen auf der Stirn haben, sollten Sie unbedingt beim nächsten Braukunst Live! dabei sein.

Von Kalifornien bis Liechtenstein – vom Weizensekt bis zur Craft Beer-Dose

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© Kristina Lutilsky

Im Vergleich zu den vergangenen Jahren fanden sich diesmal mehrere kleine Stände ein und damit eine noch größere Vielfalt. Vertreten waren deutsche Regionen, unsere österreichischen und Schweizer Nachbarn, aber auch Brauer aus Norwegen, den USA, Dänemark, Schottland, Rumänien, Polen und sogar dem beschaulichen Liechtenstein. Neben Konzernablegern wie Braufactum (Radeberger) und Craft Werk (Bitburger) reihten sich traditionelle Familienbrauereien wie Die Freien Brauer oder das Brauhaus Faust und junge Quereinsteiger wie Tilmans Biere, Buddelship oder Brew Age aneinander. Die vorgestellten Bierspezialitäten könnten unterschiedlicher nicht sein. Vom süßen Coffee Stout und 7-Kornbier bis zum extrem bitteren India Pale Ale war alles mit dabei. Die SchwarzwaldGold Braumanufaktur aus Vörstetten stellte sogar ihren edlen „WeizensektCoco d’Or vor – dreimal gefiltert und am Ende mit Champagnerhefe vergoren. Für Braumeister Martin Walschebauer ist die Hefe die dritte wichtige Geschmacksdimension bei Bier, die seiner Meinung nach im derzeitigen Hopfenhype noch viel zu wenig berücksichtigt wird.

Auch in punkto Gebinde und Verpackung gab es Neues zu erleben. In diesem Jahr präsentierte beispielsweise die Vulkan Brauerei das erste Craft Beer in der Dose. Und in einer Masterclass, dem parallel laufenden Workshop-Programm, schulte der Deutsche Meister der Sommeliers für Bier, Dr. Markus Sailer, Bierbegeisterte in der Gläserkunde. Beim Wein und anderen Spirituosen ist es weithin bekannt, aber auch jede Biersorte verlangt nach dem zugehörigen Glas. Sie sehen: Besuchen Sie das nächste Braukunst Live! Festival – oder ein vergleichbares Craft Beer Event – und Sie werden mit einem ganz neuen Verständnis von Bierkultur und Biervielfalt nach Hause gehen.

Der, die, das MOLL: Offizielles Braukunst-Live Bier

Alte Bierstile neu interpretieren – eine der Lieblingsaufgaben kreativer Brauköpfe. Und genau das haben Oliver Wesseloh von der Hamburger Kehrwieder Kreativbrauerei und Alexander Himburg vom Braukunstkeller aus Michelstadt für das offizielle Braukunst Live Bier gemacht. Der Gemeinschaftssud ist eine Hommage an die Berliner Bierszene, wobei die beiden Brauer sich für ein altes Berliner Rezept entschieden: ein Rauchbier im Stil des klassischen Köpenicker Molls, veredelt mit getoasteten Maulbeerbaum-Chips. Ein wirklich spannendes Bier mit Raucharomen und einer leichten Säure. Wer wollte, konnte sich direkt am Stand eine Flasche abfüllen lassen und mitnehmen. Wer das verpasst hat, kann das Bier auch bei den Braukunstkeller- und Kehrwieder-Händlern erhalten.

Interview mit Frank Böer

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© Kristina Lutilsky

Noch Luft nach oben
Marathonprojekt, bei dem jeder Schritt ein Volltreffer sein muss

Frank Böer, altgedienter Event- Haudegen, blickt auf zehn Finest Spirits Festivals und vier Großveranstaltungen im Namen des Bieres in München und Bochum zurück. Müde und noch unter dem Einfluss der Eindrücke vom Wochenende war er bereit, am Tag 2 nach der Braukunst Live! 2015 (BKL) exklusiv für bier.pur die Veranstaltung Revue passieren zu lassen. Im Gespräch hat er auch den Blick nach vorne gerichtet: Solide soll sie wachsen, die Braukunst Live! in München und für Besucher immer ein fantastisches Erlebnis schön inszenierter Vielfalt sein.

Frank Böer – bitte ein paar Zahlen zu Beginn, um die Dimension des Bierkultur-Festivals besser einschätzen zu können.
Auf 5.000 Quadratmetern Festivalgelände haben sich am Wochenende Anfang März über 8.400 bierinteressierte Genussbegeisterte eingefunden. Wir haben allein in den ersten zwei Stunden nach öffnen der Pforte 20.000 Chips unter die Leute gebracht, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Mit 14.000 Gläsern sind wir ins Rennen gegangen und diese waren im kontinuierlichen Umlauf.

Mit welcher Intention kommen die Besucher zum Festival?
Sprechen Sie mit dem Angebot immer wieder neue Besucher an, oder gibt es einen gewissen „Wiederholungstäter- Effekt“ zu erkennen?
Die Besucher erwarten ein hochattraktiv inszeniertes Erlebnis auf höchstem Niveau rund um das Thema Bier- und Braukultur – sie wollen Neues entdecken und Bekanntes neu erleben. Bier ist eine lebhafte Szene und das soll rüber kommen. Ich will und werde daher keine Messe machen, sondern möchte an einem solchen Wochenende 9.000 Markenbotschafter für die Bierkultur ausbilden und sie mit dem Spirit der neuen Bewegung anstecken. Schön ist es, dass wir ursprünglich eine Konsumentenveranstaltung geplant haben und es sich ab Stunde 2, sprich seit 2013, auch zu einem Klassentreffen der Branche entwickelt hat. Mittlerweile verzeichnen wir neben den genussorientierten Verbrauchern auch einen ansehnlichen Fachbesucher-Anteil. Wir haben Wiederholungstäter, wenn Sie es so wollen. Ich nenne sie lieber Fans der ersten Stunde. Sie tragen sich das Wochenende im Kalender ein und planen ihre Termine rund um das Festival. Von diesen im Grunde genommen bereits Experten bekomme ich auch klares Feedback zur Veranstaltung.

Was ist Ihre persönliche Zielsetzung?
Das Bier steht meiner Einschätzung nach erst am Beginn des Aufbaus eines Spezialitätenmarktes und ich möchte mit der BKL einen Teil dazu beitragen. Wir wollen für ein neues Produkt-, Qualitäts- und Preisbewusstsein werben und interessierte Verbraucher zu Fans der neuen Bierkultur werden lassen. Ich möchte den Markt auf der Braukunst Live! so abbilden, wie er sich den Verbrauchern draußen darstellt – ein Miteinander an großen, mittleren und kleinen Brauereien. Und mein ganz eigenes, oberstes Ziel ist es, schnell unter den Top 5-Veranstaltungen weltweit zum Thema Biervielfalt und Bierkultur aufzusteigen.

Eng, enger, am engsten. Langsam wird es kuschlig auf der Veranstaltung – vor allem am Samstag. Planen Sie einen Umzug mit der BKL im kommenden Jahr?
Sicherlich werden wir perspektivisch an einem neuen Veranstaltungsort in München arbeiten. Wir wollen solide wachsen und werden daher früher oder später an die Grenzen des jetzigen Veranstaltungsorts im MVG Museum stoßen. Zuerst dachten wir, dass es in diesem Jahr schon so weit sein würde – war aber nicht der Fall. Damit haben wir Luft gewonnen für eine weitere BKL auf dem bekannten Gelände im kommenden Jahr.

Welche konkreten Pläne haben Sie?
Für mein Team und mich geht es im Herbst in Bochum von 7. bis 9. Oktober 2015 mit der FINEST SPIRITS & BEER CONVENTION Rhein-Ruhr in die nächste Runde.