Irgendwann zwischen YouTube, TikTok und dem nächsten Snack hat sich ein Trend etabliert, der gleichzeitig fasziniert, irritiert und hungrig macht: Mukbang. Das Wort stammt aus Südkorea und setzt sich aus „mukda“ (essen) und „bangsong“ (Übertragung) zusammen – also schlicht „Essensübertragung“. Ursprünglich war das Phänomen gar nicht so seltsam gemeint: Um 2010 begannen koreanische Streamer, sich beim Essen zu filmen, um in einer zunehmend vereinsamten Gesellschaft virtuelle Gemeinschaft zu schaffen. Man aß also gemeinsam – der eine real, der andere digital.
Doch wie so oft im Internet hat sich aus einer guten Idee ein ziemlich skurriles Spektakel entwickelt. Heute ist Mukbang weniger eine gemütliche Essensrunde als vielmehr eine Performance: riesige Mengen von Nudeln, Burgern oder scharfen Wings werden vor laufender Kamera verschlungen – begleitet von übertriebenem Schmatzen, Knuspern und Stöhnen, denn die sogenannten ASMR-Effekte (also akustische Sinnesreize) sind fixer Bestandteil des Erfolgsrezepts. Wer gut kaut, kaut für Klicks.
Inzwischen hat sich Mukbang über Korea hinaus in alle Social-Media-Feeds gefressen. Auf YouTube, TikTok oder Instagram werden Millionen Views mit XXL-Portionen erzielt, und erfolgreiche Mukbanger verdienen damit echtes Geld – von Werbeeinnahmen bis zu Sponsordeals mit Fast-Food-Ketten. Ironischerweise wird also ausgerechnet das maßlose Essen zum lukrativen Geschäft, während parallel Ernährungstrends wie „Clean Eating“ und „Intervallfasten“ boomen. Willkommen in der paradoxen Welt des digitalen Appetits.
Doch wie startet man selbst so eine Karriere als Schmatz-Influencer? Erstens: Man braucht ein gutes Mikrofon, denn die Geräusche sind wichtiger als das Menü. Zweitens: Licht, Kamera und viel – wirklich viel – Essen. Drittens: ein dickes Fell, denn wer sich öffentlich beim Essen zeigt, erntet nicht nur Klicks, sondern auch Kritik. Zu ungesund, zu übertrieben, zu viel Food Waste – und manchmal schlicht zu eklig. Der Grat zwischen Unterhaltung und Überdruss ist beim Mukbang ziemlich schmal.
Psychologisch lässt sich der Erfolg dennoch erklären. Viele Zuschauer fühlen sich beim Anblick anderer Esser beruhigt – besonders jene, die selbst Diät halten oder einsam sind. Essen ist schließlich etwas zutiefst Menschliches, und in der digitalen Welt ist selbst das Kauen zum Kommunikationsmittel geworden. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack: Während in Teilen der Welt Lebensmittel knapp sind, wird andernorts für Likes übermäßig konsumiert – und das Publikum schaut satt, aber nachdenklich zu.
Vielleicht ist Mukbang letztlich das Sinnbild unserer Zeit: Wir streamen, statt zu sprechen, und konsumieren, statt zu genießen. Essen wird nicht mehr geteilt, sondern performt. Und während sich der Algorithmus an Klickzahlen mästet, bleibt die eigentliche Frage: Wann ist aus Genuss eigentlich Show geworden?
Schon gewusst? – So funktioniert Mukbang
Wer selbst ins Mikro schmatzen möchte, sollte ein paar Basics beachten:
Ein gutes Mikrofon (ASMR-tauglich!) ist Pflicht – schließlich zählt jeder Biss. Dazu eine helle Beleuchtung, eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein und natürlich: Essen in Mengen, die selbst einen Großfamilientisch blass aussehen lassen.
Die erfolgreichsten Mukbanger achten trotzdem auf Inszenierung: Farben, Geräusche, Texturen. Knuspriges zieht mehr Views als Suppe, und Chili sorgt für Drama. Wer mitmacht, sollte aber auch an Nachhaltigkeit denken – Food Waste ist out, und echte Fans merken, wenn’s nur Show ist.
Kurz gesagt: Mukbang ist kein gemütliches Abendessen, sondern ein Spagat zwischen Entertainment und Völlerei – und wer das mit Stil schafft, hat den Algorithmus schon fast auf seiner Seite.