Wir radlern auf ein Zwickl (GENUSS.MAGAZIN V/07)

Ein Artikel von Sepp Wejwar | 01.11.2007 - 00:00
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© Waldhäusl

Dass Bier an sich ein sehr gesundes Getränk ist - natürlich in Maßen genossen und zwar nicht in un­zähligen - haben zahlreiche Studien belegt. Es wirkt isotonisch besser als so manche Sportbrause, es enthält Vitamine und regt den Appetit an. Wir widmen uns heute den zwei Vertretern Zwickl und Radler.

Zwickl, das unfiltrierte Bier

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Der Name Zwickl kommt von den kleinen Armaturen, aus welchen die Braumeister Verkostungsproben zapfen, sie heißen Zwicklhähne, das Bier wird abgezwickelt. Angeblich war das Zwicklbier immer schon das persönliche Lieblings­bier zahlreicher Braumeister.
Der Trend zum Zwickl ist stark steigend. Das Publikum nimmt das wohlschmeckend-frische, zugleich gesunde und naturnahe Bier immer besser an. Außerdem gehört das hefetrübe Zwickl zu den gesündesten Bieren. Weil es unfiltriert ausgeschenkt wird, sind die Schwebstoffe noch enthalten. Daher ist es auch naturtrüb. Diese Trubstoffe (schreibt man im Bier-Soziolekt tatsächlich ohne Umlaut) bestehen aus malzeigenen Eiweiß­teilchen und aus vitaminreichen Hefezellen. Zwickl schmeckt vollmundiger und zugleich frischer als filtriertes Bier. Weil es weniger lang haltbar ist als filtriertes Bier, bieten es die meisten Brauereien ausschließlich als Fassware an, nur wenige Zwickl sind als Flaschenbier erhältlich. Das ist auch der Grund für das kleine Sample von Zwicklbieren bei unserer Verkostung (siehe nächste Seite).
Zwickl schmeckt nicht nur frisch, es braucht auch eine sehr frische Behandlung. Auf eine gröbere Unterbrechung der Kühlkette würde es empfindlich reagieren. Es muss dunkel gelagert werden, denn die Trubstoffe reagieren auf Licht mit Veränderung. Die angenehm weiche, runde Charakter­istik ginge somit verloren, ein unausgewogen hefiger Ge­schmack würde verbleiben. Biere werden schließlich nicht nur aus kosmetischen Gründen filtriert, sondern vor allem, um sie haltbarer zu machen, indem man die leicht verderblichen Stoffe herausholt. Konkret: Genau dasselbe Märzen, das sechs Monate lang gut haltbar ist, würde in seinem status nascendi als Zwickl nur rund zehn Wochen halten, ein angezapftes Fass hält bestenfalls vier Tage. Die Fässer sollten am Kopf stehend gelagert und vor dem Anstich umgedreht werden. Dadurch werden die Schwebstoffe gleichmäßig verteilt.
Die Ottakringer Brauerei führt neben dem normalen Zwickl als Besonderheit das Zwickl Rot. Dunkles Malz färbt und sorgt für süße Geschmacksnuancen. Die Wiener Brau­erei hat ihr erstes Zwicklbier 1989 verkauft. In Flaschen ab­gefüllt erhält man Zwicklbiere von Schwech­ater, Gösser, Raschhofer und Stiegl.

Radler, der traditionsreiche Mix

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Eigentlich müsste der Radler Eisenbahner heißen, denn der Gleis­arbeiter und Nebenerwerbs-Gastwirt Franz-Xaver Kugler hat es erfunden. Zunächst hat er für sich und seine Kollegen Bier mit auf die Baustelle gebracht. Direkt von der Deisenhofener Bahnhofswirtschaft, die zuerst zur Kantine der Königlich Bayerischen Eisenbahn und später zur Kugler-Alm umfunktioniert wurde. Die Alm liegt 15 Kilo­meter außerhalb Münchens und avancierte schnell zum beliebten Ausflugsziel. Ein Radweg wurde gebaut, der be­reits im Sommer 1922 von 30.000 Bicyclisten befahren wurde. Auf der Kugler-Alm reichten die Biervorräte bald nicht mehr aus und Franz-Xaver gebot, das Bier mit Zitronen­limonade zu vermischen und als Radlermaß zu verkaufen. Bezeichnung und Argu­ment sind PR-preisverdächtig: Die Radler konnten sich bestens mit dem Mix identifizieren und "dass die Gäste nicht so schnell betrunken würden und besser nach Hause kommen sollen" war vom Kuglerwirt ziemlich altruistisch gedacht. Sehr rasch hat sich die Radlermaß in ganz Bayern durchgesetzt und langsam von dort aus verbreitet. Bis 1993 gab es den Radler nur beim Wirten, frisch gemischt, denn das Biersteuergesetz hat die Herstellung fertiger Bier­misch­getränke nicht gestattet.
Zitrone ist nach wie vor die beliebteste Geschmacks­richtung, Kräuter- Himbeer- oder Holunderblüten­vari­anten sind bereits am Markt. Wenn wir beobachten, welche Kombi­nationen mittlerweile bei ge­schmacksveredelten Mineral­wässern verkauft werden, dann können wir erahnen, was da an Ideen auf uns zukommen wird. Dürfen wir eine Birne-Melisse-Brenn­nessel-Balsamessig-Radlerin anregen?